Das Titanic-Attentat
Paris. Sahen ein weiteres Eisfeld und zwei Eisberge bei Breite 45.20 n.B. und Länge 45.09 Paris; sahen ein Wrack bei 40.56 Länge 68.38 Paris. Bitte geben Sie uns Ihre Positionen. Freundliche Grüße und gute Reise. Caussin. [88]
Leider serviert uns der Kapitän der
La Touraine
gleich den kompliziertesten Fall. Zum einen verwendet er das oben erwähnte Dezimalsystem, bei dem die Bogenminuten hinter dem Punkt als Dezimalwert angegeben werden. Zum anderen benutzt er sowohl das Greenwich- als auch das französische Bezugssystem, das den durch Paris führenden Meridian als Nullmeridian verwendet. Daher steht bei der geographischen Länge statt »W« oder »w.L.« auch dreimal »Paris«. Dieser Nullmeridian liegt 2°21' östlich des Greenwich-Nullmeridians. Diesen Wert muss man von den Paris-Längenangaben also abziehen, um auf die übliche Greenwich-Länge zu kommen. Wenn man das umrechnet, ergeben sich folgende Positionen für die in dem Telegramm der
Touraine
genannten Ereignisse:
Text
Telegramm
La Touraine
Grad/Min.-Darstellung
Greenwich-Koordinatensystem
Ereignis/
Beobachtung
49.28 n.B., 26.28 w.L.
49°16' n.B., 26°16' w.L.
49°16' n.B. 26°16' w.L.
Position am 12. April 1912 abends
44.58 n.B. 50.40 Paris
44°34' n.
B., 50°24' Paris
44°34' n.
B.,48° 3' w.
L.
Dickes Eisfeld
45.20 n.B. und 45.09 Paris
45°12' n.
B., 45° 5' Paris
45°12' n.B.,42°44' w.
L.
Eisfeld, zwei Eisberge
40.56 n.B. und 68.38 Paris
40°33' n.
B., 68°22' Paris
40°33' n.
B.,66° 1' w.
L.
Wrack
Tatsächlich sagte die überlebende Besatzung der
Titanic
wohl ausnahmsweise einmal die Wahrheit, als sie feststellte, dass sich diese Positionen sehr weit nördlich des Kurses der
Titanic
befanden und daher keine Bedeutung für die Reise hatten. Daher hatte sie – im Gegensatz zu anderen Eiswarnungen – auch keine Schwierigkeiten, sich daran zu erinnern. Anscheinend hatte sich die
La Touraine
etwas selbständig gemacht und war weiter nördlich der üblichen Routen gefahren.
Rappahannock:
»Fuhren durch ein dichtes Eisfeld«
Im Vorfeld der Katastrophe wird noch eine weitere Warnung erwähnt, nämlich eines Frachtschiffes namens
Rappahannock
. Die
Rappahannock
soll der Titanic am Abend des 13. oder 14. April 1912 begegnet sein, wobei sie per Morselampe folgende Botschaft übertragen habe: »Fuhren gerade durch ein dichtes Eisfeld und mehrere Eisberge.« Koordinaten wurden dabei nicht angegeben.
Weil sich die
Rappahannock
auf Ost- und die
Titanic
auf Westkurs befanden, wirft das jedoch die Frage auf, wie die beiden Schiffe über Morselampen kommunizieren konnten, denn Ost- und Westroute sind durchschnittlich 100 Kilometer voneinander entfernt. Im Fall der
Rappahannock
waren die Routen über die Hälfte der Strecke sogar noch viel weiter voneinander entfernt, weil die
Rappahanock
nicht in New York, sondern viel weiter nördlich in Halifax (Neuschottland) gestartet war. Das heißt, dass sie sich bis etwa zur Mitte des Nordatlantiks überhaupt nicht in die üblichen Routen zwischen Europa und New York einreihen würde, sondern viel weiter nördlich fahren würde – trotz Eis.
Und schließlich bestätigte auch die Reederei der
Rappahannock
, Furness, Whithy & Co., den angeblichen Lichtzeichenaustausch nicht. In einem Brief an das britische Board of Trade vom 14. Juni 1912 erklärte die Reederei, man habe zum Zeitpunkt des Desasters keine Schiffe in der Nähe der
Titanic
gehabt. Wenden wir uns also den Eiswarnungen des 14. April 1912 zu. [89]
1.
Caronia:
»Eisberge, Kälber und Treibeis«
Am frühen Morgen des 14. April, also des Unfalltages, meldete sich Kapitän Barr von dem nach Osten fahrenden Cunard-Liner
Caronia
:
Kapitän Titanic. Nach Westen fahrende Dampfer melden Eisberge, Kälber und Treibeis auf 42 N von 49 bis 51 West 12. April Grüße. Barr. [=42°N, 49-51°W] [90]
Das heißt, dass die
Caronia
, die selbst nach Osten fuhr, vom 12. April stammende Meldungen von nach Westen fahrenden Dampfern aufgenommen hatte und zwei Tage später an die ebenfalls nach Westen fahrende
Titanic
weitergab. Ein übliches Verfahren: Da die Reichweiten der damaligen Funkanlagen begrenzt waren, konnten nicht alle Schiffe die Warnungen aller anderen Schiffe hören, so dass Meldungen untereinander weitergegeben wurden.
Wie wir oben erörtert haben, musste die Eiswarnung nun in die Seekarte eingezeichnet werden. Das Ergebnis: Der genannte Bereich lag in unmittelbarer Nähe der Route! Allein diese am frühen Morgen des 14. April zuerst
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