Das Titanic-Attentat
abgeschnitten sein würden.
Das scheint jedoch noch nicht die ganze Wahrheit zu sein. Das Problem ist nämlich, dass die Titanic ihre Notrufposition gar nicht im Grad/Minuten-System, sondern im Dezimalsystem durchgegeben hat, also nicht 41°46' N, 50°14' W, sondern 41.46 N, 50.14 W. Wie wir jedoch wissen, sind das verschiedene Dinge. Während die Ziffern vor dem Punkt dasselbe besagen, nämlich Grad, bedeuten die Ziffern an dritter und vierter Stelle einmal Minuten und ein andermal Prozentpunkte. Dabei ergeben 0,46 nicht 46 Minuten, sondern 27 Minuten (0,46 mal 60 Minuten).
Dass beides synonym verwendet wurde, dass also die Kapitäne auch bei der Schreibweise mit dem Punkt (Dezimalsystem) Minuten meinten, ist ausgeschlossen. Eine Recherche im britischen Untersuchungsbericht, wo auch die Eiswarnungen nachzulesen sind, ergibt, dass die Kapitäne die Positionen explizit entweder in Grad und Minuten oder in Grad mit zwei Dezimalstellen hinter dem Punkt angaben. Offenbar hing das von den Rechengewohnheiten des Navigators ab. Und wie sich aus den erhaltenen Telegrammen der
Titanic
ergibt, gab sie ihre Notrufposition im Dezimalsystem an. Und das bedeutet, dass die genannte, am häufigsten zitierte Notrufposition der
Titanic
34 Kilometer von der Wrackposition entfernt liegt. Die zuallererst durchgegebene Position lag sogar 41 Kilometer von der Wrackposition, also dem wahren Standort, entfernt (siehe Tabelle unten).
Mit »Ungenauigkeiten« allein ist das kaum zu erklären. Denn zwar gab es damals natürlich kein GPS -System, mit dem man eine Position auf wenige Meter genau ermitteln konnte, aber trotzdem sollte eine Positionsbestimmung auf wenige Meilen oder Kilometer genau sein. 34 bzw. 41 Kilometer Abweichung sind geradezu spektakulär. Damit wurden die Chancen auf Rettung weiter minimiert, denn eine genaue Position ist in einem Seenotfall natürlich »der Anfang aller Dinge«.
»Shit happens«, besagt eine umgangssprachliche amerikanische Redensart. Aber ist so viel »shit« wirklich wahrscheinlich? Oder reiht sich dieses Versagen nicht vielmehr logisch in das bisherige Vorgehen der Schiffsführung ein?
Uhrzeit
Ereignis
Zeit seit Kollision
23:40
Zusammenstoß
00:05
Befehl zum Klarmachen der Boote
25 Min.
00:10
Befehl zum Ausschwingen der Boote
30
00:15
1. Notruf 41.44 N 50.24 W
Wrackposition: 41.731944 N, -49.945833 W Distanz: 22 Seemeilen/41 km
35
00:17
2. Notruf 41.44 N 50.24 W
37
00:20
3. Notruf 41.46 N 50.14 W
Distanz z. Wrack: 18 Seemeilen/34 km
40
00:20– 00:30
Alarmieren der Passagiere
40–50
00:250
Befehl zum Starten der Pumpen
45
00:45
1. Rettungsboot wird gefiert
65
00:45/
00:50
1. Signalrakete
65
01:40
Ankerlöcher gehen unter Wasser
Siehe: The Final Wireless Transmissions aboard the R. M. S. Titanic, auf rms.enchantedtitanic.com
Etwa dieselbe Zeitspanne, die bis zur Versendung der Notrufe verging, wurden die Passagiere über die Situation im Unklaren gelassen. Es dauerte »40 oder 50 Minuten, bis die Passagiere von irgendeiner Gefahr in Kenntnis gesetzt wurden«, zitiert Michael Davie in seinem Buch über die
Titanic-
Katastrophe den Erste-Klasse-Passagier und damaligen Tennisstar Karl H. Behr.
Obwohl die Schiffsführung sehr schnell über den verheerenden Wassereinbruch im Bilde war, wiegte sie die Passagiere in Sicherheit: »Mrs. Futrelle, die Gattin eines amerikanischen Schriftstellers, bestätigte Behrs Angaben über die verzögerte Information der Passagiere; von einem Offizier wurde ihrem Ehemann versichert, dass nicht die geringste Gefahr bestehe. Den ersten Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmte, bekamen die Futrelles nicht durch irgendwelche Informationen der Schiffsführung, sondern dadurch, dass Stewards an Deck Männer von Frauen trennten.« [140]
Ja, noch schlimmer: Geradezu gespenstische Erfahrungen machte der Dritte-Klasse-Passagier Eugene Daly aus Newark. Als er an Deck kam, »traf er auf eine Gruppe von Stewards, die rauchten und lachten. Als er versuchte, in ein Rettungsboot zu steigen, wurde er von einem Offizier mit der Waffe bedroht. Er sah zwei Männer an Deck liegen, woraufhin ihm erklärt wurde, die beiden seien erschossen worden.« [141]
Eine Frage: Was lief hier eigentlich? Ein Unfall? Oder ein Attentat? Handelte es sich wirklich um ein Schiff? Oder um eine Todesfalle? Hatte man es hier mit einer treusorgenden Besatzung zu tun? Oder vielmehr mit einer Bande von Kriminellen und Betrunkenen?
Wo ist der Moment der Umkehr?
James Camerons
Titanic,
mein
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