Das Todeskreuz
bitten, dir eins zu bringen.«
»Ich trinke öfter mal ein Bier zu Hause.«
Ihr Vater betätigte die Sprechanlage und bat Tanja, eine Flasche
Bier zu bringen. Danach lehnte er sich zurück, die Hände
gefaltet, und betrachtete seine Tochter mit kritischem Blick.
»Es ist ungewöhnlich, dass du mitten in der Woche vorbeischaust.
Hast du Probleme?«
»Nein, bis jetzt nicht. Ich muss nur etwas mit dir besprechen.
Es geht um einen Fall, den wir gerade bearbeiten, und ich brauche
dazu ein paar Informationen von dir.«
»Informationen?«, fragte Klein mit gerunzelter Stirn. »Ich bin
Rechtsanwalt und ...«
»Darum geht's ja auch. Ich erklär's dir, wenn Tanja das Bier
gebracht hat.«
Sie hatte es kaum ausgesprochen, als an die Tür geklopft
wurde und kurz darauf die blondmähnige Tanja hereinkam und
die Flasche und ein Glas auf einem Tablett auf den Schreibtisch
stellte.
»Danke«, sagte Elvira Klein, »den Rest mach ich schon. Für
heute sind Sie entlassen. Einen schönen Abend noch.«
Sie sah Tanja nach, die mit wiegendem und aufreizendem
Gang das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zumachte. Elviras
Vater sagte sichtlich verwundert: »Tanja hat normalerweise
bis elf Dienst.«
»Das ist mir bekannt. Ich möchte mich in Ruhe mit dir unterhalten.
Es gibt da nämlich einige Dinge, die mir Kopfzerbrechen
bereiten, und ich hoffe, dass du mir wenigstens ein bisschen helfen
kannst«, sagte Elvira, schenkte das Glas voll und trank einen
Schluck.
»Was bereitet dir denn solches Kopfzerbrechen? Es gibt kein
Problem, das sich nicht lösen lässt. Das ist zumindest meine Devise, seit ich als Anwalt tätig bin. Und ich dachte immer, das
wäre auch deine.«
»Ist es auch, deshalb bin ich ja hier. Wie läuft es bei dir?«
»Elvira, was ist los? So kenne ich dich gar nicht. Ich denke, du
hast ein Problem, und mit einem Mal fragst du mich ...«
»Ich habe meine Gründe. Mir sind da einige Dinge zu Ohren
gekommen, die mir einfach keine Ruhe lassen. Und meine ganz
persönliche Devise ist, nie etwas auf die lange Bank zu schieben,
sondern immer alles gleich zu erledigen.«
Elviras Vater irritierte der Ton seiner Tochter. Er kniff die
Augen zusammen, doch schon im nächsten Moment spielte ein
joviales, einnehmendes Lächeln um seinen Mund. Er erhob
sich, schenkte sich von dem erlesensten und kostbarsten und
damit auch teuersten schottischen Maltwhisky ein, gab zwei
Eiswürfel dazu und nahm wieder Platz. Die Flasche stellte er
auf den Tisch und nippte an dem Whisky. Er war ein stattlicher
Mann von einundsechzig Jahren, einszweiundneunzig groß,
mit noch vollem, inzwischen grauem Haar, blaugrauen Augen
und Händen, die einmal pro Woche von einer Maniküre behandelt
wurden. Allein seine Erscheinung drückte Dominanz aus,
dazu kam ein entsprechend selbstsicheres Auftreten, das fast
jeden beeindruckte. Er schlug die Beine übereinander und sah
Elvira an.
»Das hast du von mir, ich habe nie etwas auf die lange Bank
geschoben, denn wie heißt es so schön - was du heute kannst
besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Nur so hat man Erfolg
im Leben. Und nun raus mit der Sprache, was bedrückt
dich.«
»Es geht um zwei Morde, die sich in den letzten Tagen in
Frankfurt und Offenbach zugetragen haben. Ich weiß nicht, ob du
schon darüber informiert bist.«
Er zog die Mundwinkel nach unten und schüttelte den Kopf.
»Nein, tut mir leid, da ist mir wohl etwas entgangen, aber in dieser Gegend kommt es nun mal vor, dass hin und wieder jemand
umgebracht wird. Suchst du meinen Rat?«
Elvira Klein sah ihren Vater an und wusste sofort, dass er log
und längst von den Morden erfahren hatte. Dennoch spielte sie
das Spiel mit.
»Die Opfer sind Corinna Sittler und Bernd Buchmann, die
Namen sagen dir sicher etwas.«
»Was? Die Sittler und der Buchmann sind tot?«, stieß er aus
und trank sein Glas leer. »Habt ihr schon eine Spur?«
»Nein, bis jetzt nicht. Außerdem darf ich dir über laufende
Ermittlungen sowieso nichts sagen, das müsstest du am besten
wissen.«
»Elvira, ich bin dein Vater, ich bin verschwiegen wie ein
Grab.«
Ohne darauf einzugehen, fuhr sie fort: »Sie wurden beide auf
fast die gleiche Weise umgebracht. Wir gehen davon aus, dass es
mit einem Fall zu tun hat, der einige Jahre zurückliegt - Guttenhofer
und Kröger. Damit kannst du aber bestimmt etwas anfangen,
oder?«
Für den Bruchteil einer Sekunde schwand jede Regung aus
seinem Gesicht, bevor er wieder
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