Das Todeskreuz
das Leben nicht mehr verstanden, weil Laura so etwas
nicht verdient hatte. Kein Mensch hat so einen Tod verdient,
keiner.« Er holte tief Luft. »Aber was erzähl ich Ihnen
da, Sie werden mit diesen Dingen ja fast täglich konfrontiert,
für Sie ist das ja Routine.«
»Herr Hohl, ich werde erstens nicht fast jeden Tag mit diesen
Dingen konfrontiert, und es ist für mich nach nunmehr fast zwanzig
Jahren bei der Polizei noch längst nicht zur Routine geworden.
Denken Sie noch oft an Laura?«
»Hin und wieder. Mein Gott, das Leben geht weiter, ich kann
mich nicht vergraben und in Selbstmitleid suhlen, das war auch
noch nie mein Ding. Ich habe mein Studium beendet, fünf Jahre
an der Uniklinik gearbeitet und vor vier Jahren diese Praxis eröffnet,
das heißt, ich habe sie von einem Kollegen übernommen,
der in den Ruhestand gegangen ist. Aber natürlich denke ich noch
an Laura, vor allem, wenn Sie wie aus dem Nichts auftauchen
und das Ganze noch mal hochkochen. Aber das ist ja Ihr Job.
oder?«
»Unter anderem. Sagen Sie, Sie haben mit Herrn Kröger und
Frau Guttenhofer eine Seite ins Internet gestellt ...«
»Vergessen Sie's, das mit der Seite war allein Heikos Idee.
Der hat eine ganze Weile rumgesponnen und an eine Verschwörung
geglaubt. Er war der Überzeugung, dass Polizei und Staatsanwaltschaft
nicht richtig ermittelt haben. Glauben Sie mir, ich
habe versucht, ihn davon abzubringen, aber er ließ sich nicht beirren.
Er hat gelitten wie ein Hund, und ich wollte ihn nicht als
Freund verlieren, also hab ich mitgemacht. Aber das war alles
heiße Luft, nicht mehr und nicht weniger. Heiko kann verdammt
überzeugend sein und sehr klug und eloquent seine Meinung vertreten
und ... Jedenfalls, auch Frau Guttenhofer war auf seiner
Seite, weil sie überzeugt war und immer noch ist, dass der Tod
ihres Mannes und der von Laura zuammenhängen. Nur, dafür
gibt es nicht den geringsten Beweis. Die haben damals zwar drei
junge Kerle festgenommen, aber gleich wieder auf freien Fuß
gesetzt, weil sie es nicht gewesen sein konnten. Frau Durant, das
ist Vergangenheit und interessiert mich nicht mehr.«
»Wirklich nicht?«, fragte sie zweifelnd und sah Hohl intensiv
an.
»Nein, warum auch? Schauen Sie, ich habe eine sehr gutgehende
Praxis, ich habe keine Zeit, mich mit Dingen zu beschäftigen,
die zehn Jahre zurückliegen. Ich bin Mitte dreißig, mein
Leben geht weiter, auch ohne Laura. Verstehen Sie?«
Ohne darauf einzugehen, sagte Durant: »Aber als Sie gestern
oder auch heute von den Morden an Sittler, Buchmann und Hoffmann
hörten, haben da bei Ihnen nicht alle Alarmglocken geläutet?
Es handelte sich immerhin um drei Personen, die damals
mehr oder weniger mit dem Fall betraut waren.«
»Sicher hab ich mir Gedanken gemacht, aber was wollen Sie
jetzt von mir hören? Dass es mit Laura und Guttenhofer zu tun
hat?« Er verzog den Mund und schüttelte den Kopf. »Glaub ich
nicht, ich glaube eher an den berühmten Zufall. Oder die Herrschaften
haben irgendwas ausgefressen.«
»Und wenn es doch mit damals zu tun hat?«
»Ich bitte Sie, wer wartet schon zehn Jahre, bis er sich rächt?
Und wofür rächt er sich? Ich kenne jedenfalls aus Lauras und
Guttenhofers Umfeld niemanden, dem ich so etwas zutrauen
würde, mich eingeschlossen. Nicht einmal Heiko, der ein ziemlicher
Hitzkopf sein kann, würde ich einen Mord zutrauen. Und
nun stellen Sie schon Ihre obligatorische Frage, nämlich wo ich
am Freitagabend, am Sonntagabend und - gestern? - war. Das
ist doch der eigentliche Grund, weshalb Sie gekommen sind,
oder? Schließlich zählen Heiko, Frau Guttenhofer und ich zu
jenen, die am ehesten ein Motiv gehabt hätten, die Morde zu
begehen.«
Durant musste lächeln und sagte: »Stimmt. Wo waren Sie
denn an den besagten Abenden?«
»Na also, geht doch«, erwiderte er lachend. »Ob Sie es glauben
oder nicht, ich war hier, weil ich Notdienst hatte. Allerdings
war die Nacht sehr ruhig, ich hatte nur einen Patienten um halb
drei, den Namen können Sie gerne haben.«
»Seit wann gibt es wieder einen zahnärztlichen Notdienst von
normalen niedergelassenen Zahnärzten? Ich dachte, man müsste
in die Uniklinik fahren.«
»Natürlich gibt es einen Notdienst, und den hatte ich am vergangenen
Freitag. Allerdings muss ich hinzufügen, dass dieser
Notdienst ausschließlich für Privatpatienten gedacht war.«
»Aha. Das heißt, Sie waren also die ganze Zeit zu Hause?«
»Korrekt. Ich war
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