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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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die ganze Zeit nur dagesessen und nichts gesagt.
Oder doch, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben
gebetet und gefleht, dass sie heil wieder zurückkommt, auch
wenn ich genau wusste, dass all mein Beten und Hoffen vergeblich
war.« Er seufzte und fuhr fort: »Kennen Sie das auch, ich
meine, das mit dem Beten? Da glaubt man sein Leben lang nicht
an Gott, und wenn's ganz Dicke kommt, wird man auf einmal
zum Heiligen.«
    »Mein Vater ist Pfarrer.«
    »Oh, da haben Sie ja den direkten Draht nach oben«, entfuhr
es ihm spöttisch. »Gibt es einen Gott?«, fragte er mit herausforderndem
Blick.
    »Ich denke schon.«
    »Das klingt aber nicht sehr überzeugend.«
    »Doch, es gibt einen Gott«, verbesserte sie sich.
    »Klar, müssen Sie auch sagen, ist Ihnen ja so beigebracht worden.
    Aber verraten Sie mir doch mal, wenn es einen Gott gibt,
warum lässt er dann so was zu? Ich weiß, das ist eine unfaire
Frage, trotzdem würde mich Ihre Meinung interessieren.«
    »Sie trauern immer noch, stimmt's?«
    »Nein, ich kann nur nicht vergessen. Aber Sie haben meine
Frage nicht beantwortet. Warum lässt er so was zu? Ich hab die
Frage auch einem Pfarrer gestellt, aber der hat nur geantwortet:
Gottes Wege sind eben unergründlich. Dummes Pfaffengeschwätz!
«
    »Mein Vater hat einmal zu mir gesagt, dass Gott nicht für das
verantwortlich ist, was auf der Erde geschieht, denn er hat den
Menschen die Entscheidungsfreiheit gegeben. Jeder entscheidet
für sich, ob er Gutes oder Böses tut.«
    Hohl lachte auf und schüttelte den Kopf. »Was für eine Antwort!
Entscheidungsfreiheit! Wissen Sie, was ich von dem da
oben halte? Nichts, aber auch rein gar nichts. Laura hatte sich für
das Gute entschieden, das sage ich Ihnen, so wahr ich hier sitze.
Sie hat niemals auch nur einem Menschen wehgetan. Verdammte
Religion mit ihren verdammten Entschuldigungen! Und dann
stehen am Abend die Bullen vor der Tür und teilen einem ziemlich
kurz angebunden mit, dass Lauras Leiche gefunden wurde.
Sie hatte sich entschieden zu leben, aber sie wurde ermordet. Sie
wurde vergewaltigt und erschossen. Und jetzt kommen Sie mir
mit Entscheidungsfreiheit! Hat sie sich vielleicht entschieden,
eine Reifenpanne zu haben? Oder ...«
    »Herr Hohl, das hat keinen Sinn. Ich möchte mit Ihnen nicht
über Gott oder eine höhere Macht streiten, denn darüber streite
ich grundsätzlich nicht. Aber eines sage ich Ihnen noch - ich
habe Dinge erlebt, die mit unserm Verstand nicht zu erklären
sind. Für Sie war Lauras Tod ein furchtbares Ereignis, aber in
diesem Augenblick sterben weltweit mehrere tausend Menschen
eines gewaltsamen Todes. Wenn alles gut läuft, gibt es keinen
Gott, wenn wir verzweifelt sind, wenden wir uns an ihn, weil wir
einen Strohhalm brauchen, an den wir uns klammern können,
und wenn dann alles doch nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen,
verfluchen wir ihn. So wie Sie es tun.«
    »Entschuldigung, ich wollte Sie nicht mit meinen Ausführungen
beleidigen, es ist nur ...«
    »Sie haben mich nicht beleidigt. Trotzdem sollten wir uns
jetzt wieder dem zuwenden, weswegen ich hier bin. Was geschah,
nachdem Sie die Nachricht erhielten?«
    Tobias Hohl stand wieder auf, stellte sich ans offene Fenster,
schaute hinunter auf die Jungmannstraße und sagte: »Es
war wie ein Stich mitten ins Herz. Alles war mit einem Mal
zunichte gemacht worden. In den ersten Tagen und Wochen
war ich kaum ansprechbar, ich wollte nur meine Ruhe haben.
Ich wundere mich heute noch, dass ich mein Studium zu Ende
gebracht habe. Aber alle Pläne, die Laura und ich hatten, waren
mit ihr getötet worden.« Er drehte sich um und sah Durant an.
»Sie werden so etwas nicht verstehen, auch wenn Sie als Polizistin
sicher schon viele Tote gesehen haben und vielen Angehörigen
die Nachricht vom Tod eines lieben Menschen überbringen
mussten. Dennoch ist jeder Fall einmalig, denn jeder
Mensch fühlt anders. Trauer ist etwas Furchtbares, aber es
macht einen Unterschied, ob jemand aufgrund einer schweren
Krankheit von seinem Leiden erlöst wird oder bei einem Unfall
ums Leben kommt, oder wenn jemand so sinnlos und grausam
aus dem Beginn des eigentlichen Lebens gerissen wird. Wenn
ein Mensch neunzig Jahre alt ist und friedlich einschläft, dann
ist das okay, dann ist es eben der Lauf der Zeit und des Lebens.
Aber wenn eine junge Frau von zwanzig Jahren so bestialisch
ermordet wird, dann hat das eine andere Qualität. Ich habe die
Welt und

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