Das Todeskreuz
erlaub ich nicht, das ist zu unbequem. Komm
mit rüber, bitte. Wir sind doch alt genug«, sagte sie mit diesem
zaghaften Lächeln, das sie so hübsch machte, hübsch und zerbrechlich.
»Stimmt, wir sind alt genug«, entgegnete er und streichelte
ihr übers Haar, das sie an diesem Abend offen trug, blondes
Haar, das er eigentlich nie gemocht hatte. Er stand seit er denken
konnte immer auf dunkelhaarige Frauen. Aber Elvira mit
braunem oder schwarzem Haar würde nicht passen. »Wer geht
zuerst ins Bad?«
»Ich«, antwortete sie und kam nach kaum zehn Minuten wieder
in einem roten, seidig glänzenden Morgenmantel heraus, der
kaum die Hälfte ihrer Oberschenkel bedeckte, und er erinnerte
sich an gestern, als er in ihr Büro kam und sie die Beine auf den
Tisch gelegt hatte und er nur dachte, wie schön ihre Beine doch
sind. »Es ist frei«, sagte sie und sah ihn verschämt an, als würde
sie unter dem Mantel ein besonderes Geheimnis hüten.
Er putzte sich die Zähne mit dem Zeigefinger, wusch sich die
Hände und das Gesicht und betrachtete sich im Spiegel, bevor er
zu Elvira Klein ins Schlafzimmer ging. Einen kurzen Moment
blieb er vor der Tür stehen, sein Herz pochte wie wild, er fühlte
einen Kloß im Hals. Dann trat er um die Ecke und sah Elvira im
gedämpften Licht daliegen. Das war nicht mehr die harte, unnahbare
Staatsanwältin, das war eine attraktive Frau, die die Bettdecke
bis zu den nackten Schultern hochgezogen hatte. Er schlüpfte
unter die Decke und fühlte sich wie ein pubertierender Schuljunge,
der den ersten zaghaften Annäherungsversuch bei einem Mädchen
startete. Es war ein eigenartiges und doch gutes Gefühl.
Mittwoch, 22.50 Uhr
Julia Durant saß noch immer am Schreibtisch. Sie hatte
bereits die zweite Dose Bier vor sich stehen und las wieder und
wieder die Notizen auf den fünf vollgeschriebenen Seiten, auf
denen sie die bisher bekannten und in Frage kommenden Personen
mit Pro und Contra bewertet hatte, wobei Pro für ein Motiv
und Contra gegen eine Täter- oder Mittäterschaft stand. Die Blätter
lagen ausgedruckt nebeneinander vor ihr. Sie nahm einen
Schluck aus der Dose und griff nach dem links von ihr liegenden
Blatt.
Leslie Sittler, 25, Jurastudentin
Pro:
Hass auf die Mutter, von der sie nie geliebt und beachtet wurde.
Hat die Mutter finanziell ausgenommen und mit ihr gespielt.
Ist seit drei Jahren mit dem Moderator Matthias Mahler zusammen,
lebt mit ihm seit einem Jahr in einer eigenen Wohnung,
die von Corinna S. bezahlt wurde.
Aber sie hasst ihre Mutter noch immer, eines der stärksten
Motive überhaupt, jemanden umzubringen.
Ist außerdem befreundet mit Alina Cornelius, von der sie vielleicht
doch nähere Informationen über ihre Mutter erhalten
hat.
Gibt es vielleicht auch zwischen ihnen eine sexuelle Beziehung
wie zwischen Alina C. und Corinna S.?
Hat einen Schlüssel zum Haus.
Contra:
Hat ein einigermaßen glaubhaftes, wenn auch nicht nachprüfbares
Alibi.
Bei beiden Gesprächen sehr offen, ehrlich und vor allem emotional.
Sonntagabend nach dem Fund ihrer Mutter völlig aufgelöst
und nervlich am Boden.
Hat offenbar nichts von den Machenschaften ihrer Mutter gewusst,
was auch ihre Großmutter bestätigte. Selbst wenn sie
davon wusste, wäre dies ein eher schwaches Motiv, da sie
selbst nicht betroffen war.
Und was wäre ihr Motiv bei den Morden an Buchmann und
Hoffmann?
Fazit: Scheidet als Täterin mit ziemlicher Sicherheit aus, auch
wenn sie mit A. Cornelius befreundet ist.
Matthias Mahler , 30, Moderator bei FFH
Pro: Kann fast perfekt Stimmen imitieren, könnte der Anrufer beim Escort-Service gewesen sein, auch wenn er am Abend eine
Gala in Friedberg moderierte.
Helfer, Handlanger oder Mittäter?
Scheint Leslie abgöttisch zu lieben (kam mir jedenfalls am
Montag so vor), und Liebe kann blind und einen Menschen
zum Täter machen.
Contra:
Kannte Corinna Sittler angeblich nicht, weshalb er auch ihre
Stimme nicht gekannt haben konnte.
Würde mit einem Mord seine Karriere zerstören.
Sehe auch sonst kein Motiv.
Fazit: Scheidet als Täter oder Mittäter zu 99 % aus.
Alina Cornelius , 36, Psychologin, Hausdame, Gesellschafterin
und Gespielin von Corinna Sittler
Pro:
Kannte die Sittler zehn Jahre.
Unklar, inwieweit sie über die Vergangenheit der Sittler Bescheid
wusste, ist aber durchaus möglich.
Vielleicht von Sittler gedemütigt oder herablassend behandelt.
Kannte wie
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