Das Todeskreuz
verderbe, ich hatte es mir auch
schöner vorgestellt.«
»Du verdirbst mir den Abend nicht, aber vielleicht wär's ganz
gut, wenn du darüber sprechen würdest«, tastete sich Brandt behutsam
vor.
»Hätte ich sowieso getan, denn mit wem soll ich sonst reden?«
Sie hielt für einen Moment inne und sagte dann: »Mein Vater
will, dass wir ihn und die ganze alte Sippschaft raushalten. Dabei
hatte ich ihm klipp und klar zu verstehen gegeben, dass ich bei
seinen Spielchen nicht mitmache.«
»Was heißt das, wir sollen sie raushalten?«
»Er hat gesagt, wir haben doch, was wir wollen, und so
weiter und so fort. Ich hatte vorhin Zeit, das alles zu überdenken,
und bin zu dem Schluss gelangt, dass er sogar recht hat.
Wenn wir den Fall jetzt so behandeln, wie er sich damals tatsächlich
abgespielt hat, bringen wir einen Stein ins Rollen, den
wir nicht mehr aufhalten können. Stell dir vor, wir machen
alles publik, was sich vor zehn Jahren zugetragen hat, die Menschen
verlieren doch vollkommen den Glauben an die Justiz.
Ich meine, wir stehen ja jetzt schon nicht besonders gut da, die
Leute haben kaum noch Vertrauen in unsere Rechtsprechung,
wenn man denn überhaupt noch von so etwas reden kann. Man
braucht doch nur diverse Fälle aus den letzten Monaten und
Jahren heranzuziehen, da braucht man nicht mal sonderlich
intelligent zu sein, um zu erkennen, wie da geschummelt wird.
Bankbosse und Vorstandsvorsitzende einigen sich gütlich mit
Staatsanwälten und Richtern und werden nicht verurteilt, während
ein kleiner Steuersünder mit der vollen Härte des Gesetzes
bestraft wird. Mir ist zum ersten Mal so richtig klar
geworden, wie korrupt unser System ist. Und wenn schon in
diesem relativ kleinen Rahmen, ich meine, wenn schon Kommunalpolitiker
und Unternehmer eine solche Macht haben, wie
sieht es dann erst weiter oben aus? Wie viele Verbrechen werden
nicht geahndet, weil sie gar nicht erst ans Tageslicht kommen?
Ein paar hundert pro Jahr? Oder ein paar tausend? Oder
gar mehr? Je länger ich darüber nachdenke, desto hilfloser
komme ich mir vor. Und das Schlimmste ist, dass mein Vater
da mit drinhängt. Ich war so blind und so dumm, und ich hätte
nie etwas auf meinen Vater kommen lassen. Und dann dieser
Hammer.« Der Wein und das Wasser wurden serviert, Brandt
kostete und nickte. Sie stießen an und tranken. Elvira Klein
fuhr fort: »Ich frage mich ernsthaft, ob ich die Brocken nicht
einfach hinschmeißen soll und ...«
»He, nicht so«, wurde sie von Brandt unterbrochen. »Du bist
eine hervorragende Staatsanwältin, und ich weiß, dass es noch
viel mehr von deiner Sorte gibt. Und solange es Staatsanwälte
wie dich gibt, ist nicht alles verloren. Und glaub bloß nicht, dass
ich dir Honig ums Maul schmieren will, ich meine das ernst.
Aber um auf deinen Vater zurückzukommen, er will also, dass
sein Name nicht beschmutzt wird, richtig?«
»Wie treffend du das ausdrückst«, bemerkte Elvira sarkastisch.
»Natürlich will er seine reine Weste behalten, genau wie
der alte Sack Möller und seine sauberen Freunde. Und auch wenn
du mich dafür jetzt verachten wirst, aber ich habe beschlossen,
dass ich ihnen diesen Wunsch erfüllen werde.« Und nachdem
Brandt nichts sagte: »Und jetzt bist du sauer? Naja, kann ich dir
nicht übelnehmen. Du denkst...«
»Nein, nein, ich denke, du hast gar keine andere Wahl. Wichtig
ist doch in erster Linie, dass wir die Mörder haben. Die Tricks
der andern gehen uns doch gar nichts an.«
»Das sagst du jetzt nur, um mich zu beruhigen.«
»Falsch. Fassen wir mal zusammen, was wir an Fakten haben.
Reiter und Gebhardt haben jeweils gestanden, und ihre Geständnisse
sind ziemlich deckungsgleich. Nur Möller will noch nicht
wahrhaben, dass er verloren hat. Aber ich bin mir sicher, dass er,
nachdem dein Vater und auch Möllers Vater mit ihm gesprochen
haben, einsehen wird, dass der Weg in die Freiheit für ihn verschlossen
ist. Die Frage ist doch: Was sagt der junge Möller vor
Gericht aus? Vielleicht fängt er an seinen Vater zu belasten und
bringt damit selbst den Stein ins Rollen.«
»Peter, selbst wenn er das tut, ich meine, wenn er seinen Vater
und die andern belastet, es wird immer Aussage gegen Aussage
stehen, und wem wird man wohl eher glauben, einem Mörder
oder einem angesehenen Volksvertreter und Unternehmer? Das
ist doch wohl leicht zu beantworten. Außerdem dürfen wir nicht
vergessen, dass es die Möglichkeit eines
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