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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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körperlicher Nähe gesehnt hast,
warum also nicht eine Frau? Ein Mann oder eine Frau? Ich werd's
schon noch erfahren. Zwei Gläser und eine Flasche Champagner,
aber nur du hast getrunken, oder die andere Person hat ihr Glas
hinterher gespült. Wen hast du in deine Festung gelassen, ohne
auch nur den geringsten Schimmer zu haben, dass du damit dein
Todesurteil unterschrieben hast?
    Durant drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, stand auf
und holte sich eine Cola aus dem Automaten. Sie trank und
überlegte und kam wieder auf die Frage zurück, die sie im Moment
am meisten beschäftigte. Du warst noch relativ jung, gerade
mal zwei Jahre älter als ich, und hast bestimmt sexuelle
Bedürfnisse gehabt. Hattest du nun einen Lover oder nicht? Und
wenn, hatte oder hat er vielleicht sogar einen Schlüssel zu deinem
Haus? Oder sie, wenn du lesbisch warst? Es wäre eine
Erklärung. Aber wer könnte das sein? Deine Tochter behauptet,
dass du einen Hass auf Männer hattest. Ich wette, du hast die
Seiten gewechselt und warst mit einer Frau verabredet. Eine
lesbische Beziehung, in der normalerweise du die Regeln bestimmt
hast?
    Durant schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von ihrer
Cola. Irgendwie passt das auch nicht, denn die Schläge, die dir
zugefügt wurden, müssen sehr heftig geführt worden sein. Allerdings
hatten wir schon mal einen solchen Fall, wo eine Frau ...
Und Frauen können sehr gewalttätig sein, vor allem, wenn sie
hassen. Welches Geheimnis hast du mit ins Grab genommen?
Ganz sicher etwas, von dem unter gar keinen Umständen irgendwer
etwas wissen durfte. Auf jeden Fall warst du keine einfache
Frau, wenn ich deine Tochter so reden höre. Agoraphobisch, paranoid,
jähzornig, mit deinen Eltern verfeindet und vermutlich
eine Egomanin, wie sie im Buche steht.
    Sie ging um den Tisch herum und sah immer wieder auf die
Fotos. Was hat es mit dem Kreuz auf sich? Deine ganze Aufbahrung
ist wie bei einer Kreuzigung. Ich bekenne - Meine Schuld.
Oder: Ich bekenne meine Schuld. Welche Schuld hast du auf dich
geladen, die dich schließlich in die fast völlige Isolation getrieben
hat? Du warst früher Staatsanwältin, und danach bist du als
Partner in eine ziemlich renommierte Kanzlei eingestiegen.
Frantzen und Partner. Die machen auch Strafverteidigungen, ich
musste erst letztes Jahr einem von euch vor Gericht Rede und
Antwort stehen. Ihr habt nur die besten Anwälte beschäftigt.
Aber warum wurdest du Partner, wenn du doch vorher bei der
Staatsanwaltschaft warst? Dazu noch ein Partner, der nie das
Haus verlassen hat? Welche Arbeiten hast du für Frantzen erledigt,
und zwar so gut, dass du dafür weit überdurchschnittlich
bezahlt wurdest? Warum hast du überhaupt die Seiten gewechselt?
Naja, ich werde es herauskriegen, nicht heute, aber morgen
oder übermorgen.
    Durant warf einen Blick auf die Uhr, fünf nach zehn. Sie dachte
unwillkürlich an ihren Vater, einen Pfarrer, der bestimmt wusste,
welche Bedeutung und welchen Hintergrund dieser lateinische
Spruch hatte. Da er selten vor Mitternacht zu Bett ging, griff sie
zum Telefon und wählte seine Nummer.
    »Ja«, meldete er sich bereits nach dem zweiten Läuten.
    »Hi, Paps, ich bin's. Stör ich?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Ich lese ein gutes Buch und habe
ein Glas Rotwein neben mir stehen. Was kann ich für dich tun?«
»Woher weißt du, dass du was für mich tun kannst? Bist du
unter die Hellseher gegangen?«
    »Ich kenne dich lange genug, um deinem Ton zu entnehmen,
dass du etwas auf dem Herzen hast. Also, was ist es?«
Julia Durant musste lachen. »Dir kann man wohl auch nichts
vormachen. Sei's drum, ich komme gerade von einem Tatort,
scheint eine ziemlich komplizierte Angelegenheit zu werden. Es
geht um eine Frau, in deren Rücken ein großes seitenverkehrtes
Kreuz geritzt wurde, und in ihrem Mund steckte ein gefalteter
Zettel, auf dem steht Confiteor, Bindestrich, Mea Culpa. Andrea
Sievers hat mir schon übersetzt, was confiteor heißt, aber trotzdem hätte ich gerne noch gewusst, ob das im kirchlichen Bereich
eine ganz spezielle Bedeutung hat?«
    Für einen Moment herrschte Stille. Durants Vater atmete
schwer am andern Ende der Leitung. Schließlich sagte er: »Das
ist das allgemeine Schuldbekenntnis in der katholischen Kirche.
Eigentlich ist es ein Gebet. Nur werden die drei Worte ohne Bindestrich
geschrieben, denn es heißt wortwörtlich »confiteor mea
culpa« oder auf Deutsch »Ich bekenne

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