Das Todeskreuz
noch miteinander, und sollte dieser Fall
sich wirklich als sehr kompliziert herausstellen, werde ich Berger
bitten, mir jemand anderen zur Seite zu stellen. Frank dürfte eigentlich
in seinem gegenwärtigen Zustand gar nicht ermittlerisch
tätig sein.«
»Mach dir sein Problem nicht zu deinem, er ist alt genug. Von
wo aus rufst du eigentlich an, ich hab deine Nummer nicht auf
meinem Display?«
»Aus dem Büro. Ich fahr aber gleich nach Hause. Danke, und
ich meld mich morgen oder übermorgen noch mal bei dir. Schlaf
gut.«
»Du auch. Und wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.
Tschüs.«
Julia Durant legte auf, stellte sich ans Fenster und schaute hinunter
auf die Eschersheimer Landstraße, wo auch jetzt um diese
Zeit noch reger Verkehr herrschte. Sie trank ihre Cola aus und
verließ das Büro, nicht ohne vorher die Fotos wieder in den Umschlag
gesteckt zu haben. Um halb zwölf langte sie zu Hause an,
ließ sich Badewasser ein, machte sich eine Scheibe Brot mit Salami
und zwei sauren Gurken und holte eine Dose Bier aus dem
Kühlschrank. Im Fernsehen lief nichts, was sie interessierte, und
so legte sie eine CD von Beautiful South ein, die sie bei gedämpfter
Lautstärke hörte.
Nach dem Essen, es war fast halb eins, nahm sie das Telefon
und ging ins Bad, denn sie traute Andrea Sievers zu, dass sie
noch anrief. Erst als sie in die Wanne stieg, merkte sie, wie anstrengend
das hinter ihr liegende Wochenende gewesen war.
Schön anstrengend. Alles war schön, aber nur in ihren eigenen
vier Wänden. Der Mord an Corinna Sittler war hässlich, und sie
spürte instinktiv, es würde ein langer und sehr steiniger Weg werden,
den Mörder zu finden.
Sie blieb eine halbe Stunde in der Wanne, wobei sie viel nachdachte,
und trocknete sich gerade ab, als das Telefon klingelte.
Andrea Sievers.
»Ich hab dir versprochen, dich auch mitten in der Nacht anzurufen.
«
»Nein, du hast mir gedroht«, wurde sie von Durant lachend
unterbrochen.
»Okay, gedroht. Ich will's aber kurz machen. Die werte Dame
wurde mit einer ziemlich hohen Dosis Strychnin ins Jenseits befördert.
«
»Und wie wirkt Strychnin?«
»Es wirkt auf die Nerven. Letztlich tritt der Tod durch Atemlähmung
ein. Und in der Dosierung, wie es ihr verabreicht wurde,
war es absolut tödlich. Damit hättest du einen Elefanten umbringen
können. Das Gift wurde ihr jedenfalls fachmännisch in
die Leistenvene injiziert, was natürlich sehr schnell gewirkt haben
muss.«
»Warum in die Leistengegend und nicht in den Arm?«
»Frag den Mörder, wenn du ihn hast.«
»Aber sie hat sich doch nicht gewehrt, oder?«
»Nein, sieht nicht so aus. Sie wurde vorher mit K.-o.-Tropfen
betäubt, die sie allem Anschein nach mit dem Champagner zu
sich genommen hat. Danach wurde sie meiner Meinung nach im
bewusstlosen Zustand mehrfach geschlagen, bevor ihr das
Strychnin injiziert wurde. Morbs ist übrigens bereits informiert,
er wird mit mir zusammen gleich morgen früh die Autopsie
vornehmen.«
»Okay, das ist doch schon mal was. Wann kriegen wir das
Ergebnis?«
»Vielleicht am Nachmittag, vielleicht auch erst am Dienstag.
Ciao und bis bald, ich mach mich nämlich vom Acker, ich bin
müde.«
Julia Durant ließ das Wasser ablaufen, spülte die Wanne
aus, putzte die Zähne und bürstete sich das Haar, löschte das
Licht und legte sich ins Bett. Noch lange kreisten ihre Gedanken
um Corinna Sittler. Sie wurde also mit einem Gift umgebracht.
Einen ähnlichen Fall hatte sie schon einmal bearbeitet,
vor sechs, sieben oder acht Jahren, genau konnte sie sich
nicht mehr daran erinnern. Damals hatten sie es mit einem
Zyankalimörder zu tun. Es war fast zwei Uhr, als sie endlich
einschlief.
Montag, 7.15 Uhr
Julia Durant wurde von ihrem Wecker aus dem viel zu
kurzen Schlaf gerissen. Sie knurrte und drehte sich noch einmal
um und zog die Bettdecke über den Kopf. Sie hatte keine Lust,
aufzustehen, nicht nach fünf Stunden Schlaf und mit der Aussicht,
den ganzen Tag auf Achse zu sein. Eine Menge Personen
mussten befragt werden, doch im Vordergrund stand die Suche
nach dem Motiv des Täters. Und dieses Motiv, da war sich Durant
beinahe sicher, lag möglicherweise lange zurück. Die Frage
war nur, vorausgesetzt, ihre Vermutung stimmte, warum der
Mörder so viel Zeit verstreichen ließ, bis er sein Opfer tötete.
Sie stand auf, erledigte ihre Morgentoilette, legte etwas Makeup
auf und frühstückte wie seit Jahren schon eine Schale
Weitere Kostenlose Bücher