Das Todeskreuz
passiert sein.«
»Womit? Ihm ist doch alles abgenommen worden.«
»Du weißt doch, dass ein paar Kacheln in den Zellen kaputt
sind. Das Zeug hätte schon längst ausgebessert werden müssen.
Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, aber wie so oft war
kein Geld da. Jedenfalls, er hat ein Stück davon rausgebrochen
und ...«
»Scheiße, große gottverdammte Scheiße!«, stieß Brandt hervor
und nahm den Brief in die Hand.
»Sehr geehrter Herr Brandt, sehr geehrte Frau Durant,
ich möchte Ihnen nur kurz mitteilen, dass ich mit der Schuld
der Vergangenheit nicht mehr leben kann. Auch wenn ich keinen
Mord begangen habe, so fühle ich mich doch schuldig und weiß,
dass ich niemals damit werde leben können. Ich bin in den letzten zehn Jahren vor mir davongelaufen, ich habe versucht alles
zu verdrängen und zu vergessen, aber es gelang mir nicht. Erst
seit Ihrem Besuch ist mir klar geworden, dass es für mich kein
Zurück mehr gibt. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen jetzt Umstände
bereite, aber diesmal laufe ich für immer davon und hoffe, dass
man mir meine Feigheit vergibt, denn hätte ich damals mehr Mut
und Courage bewiesen, dann hätte ich wenigstens den Mord an
Laura Kröger verhindern können. Und so verabschiede ich mich
in aller Stille und feige wie immer
Andreas Reiter
PS: Mein Labor vermache ich meiner Assistentin Frau Maria
Wohlfarth. Mein Barvermögen und der Erlös aus dem Verkauf
der Wohnung und der Einrichtung geht komplett an die Hinterbliebenen
von Laura Kröger.«
Brandt las den Brief ein zweites Mal und legte ihn danach auf
den Tisch zurück.
»Wo ist er jetzt?«
»Er wird wohl gerade abtransportiert und in die Rechtsmedizin
gebracht.«
Der Tag hatte so gut angefangen, Brandt hatte gedacht, es
würde so bleiben, doch mit einem solchen Ereignis hatte er nicht
im Entferntesten gerechnet.
»Er wäre womöglich mit einem blauen Auge davongekommen
«, sagte Brandt mit belegter Stimme. »Der Kerl hat nichts
gemacht, er ist nur in die falsche Familie geboren worden, und er
hat die falschen Freunde gehabt.«
»Nimm's nicht so schwer, er ...«
»Ich nehm's aber schwer, sogar sehr schwer. Reiter ist einunddreißig
und hätte noch eine Chance verdient gehabt.«
»Du bist aber nicht für seinen Tod verantwortlich, das wollte
ich damit sagen. Ich kenn dich doch, du nimmst immer alles persönlich.
«
»Nein, tu ich nicht. Aber das hier tut mir weh. Diese verdammte Mistbande! Nun gut, es ist nicht zu ändern. Was ist mit
Möller?«
»Ich dachte, ich überlass ihn dir und Nicole.«
»Ist die Klein schon informiert?«
Spitzer schüttelte den Kopf. »Peter, ich bin zwei Minuten, bevor
du zur Tür reingekommen bist, auch erst aus der Zelle gekommen.
Ich bin seit einer halben Stunde hier, die Kollegen vom
KDD haben sich vorher um Reiter gekümmert.«
»Ich werd's ihr sagen, sie wollte ohnehin ins Präsidium kommen.
Lass mich allein mit ihr reden.«
»Wie du willst. Aber ganz ehrlich, meinst du nicht, dass sie
den Fall besser nicht bearbeiten sollte, schon deswegen, weil ihr
Vater involviert ist?«
»Das ist ihre Entscheidung, ich werde ihr da ganz sicher nicht
reinreden. Und jetzt schaff mir Möller her. Ich werde diesen Typ
in seine Bestandteile zerlegen, das schwör ich dir.«
Die Tür ging auf. und Elvira Klein trat ins Büro. Sie hatte
wieder diesen geschäftsmäßig kühlen Blick aufgesetzt, als sie
sagte: »Wen werden Sie in seine Bestandteile zerlegen?«
»Möller«, antwortete Brandt. »Reiter hat sich heut Nacht das
Leben genommen. Hier, sein Abschiedsbrief.« Er reichte ihn Elvira.
»Was? Wie konnte das geschehen?«, fragte sie, zog sich einen
Stuhl heran und setzte sich direkt neben Brandt, ohne ihn dabei
anzuschauen.
»Fragen Sie die Kostenstelle«, erwiderte er und fuhr fort: »Er
hat sich ein Stück Kachel abgebrochen und die Pulsadern aufgeschnitten.
Wir haben oft genug auf die Missstände in den Zellen
hingewiesen, jetzt haben wir den Salat.«
»Das tut mir wirklich leid, aber ich kann nichts dafür«, sagte
sie. »Schade, ich bin eigentlich gekommen, um ihn und Gebhardt
zu verhören. Möller möchte ich lieber nicht übernehmen. Die
Gründe dafür dürften Ihnen hinlänglich bekannt sein.«
»Ich mach das schon zusammen mit Frau Eberl«, entgegnete
Brandt, dem der unaufdringliche Duft von Elviras Parfüm in die
Nase stieg, und für einen Moment dachte er an die zurückliegende
Nacht. »Sie haben den Abschiedsbrief noch gar nicht
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