Das Todeskreuz
aber auch hier alles sauber und aufgeräumt. Alina Cornelius
holte die Teekanne und die dazugehörigen Tassen aus dem
Schrank und setzte den Wasserkocher auf.
»Was bevorzugen Sie. schwarzen Tee oder Früchtetee? Ich
habe auch schwarzen Tee mit Vanillearoma.«
»Ich richte mich ganz nach Ihnen«, sagte Durant.
»Dann nehmen wir den mit Vanille.« Sie gab ein paar Löffel
von dem Tee in das Sieb und stellte sich mit dem Rücken an die
Arbeitsplatte. »Wie laufen Ihre Ermittlungen?«
»Bis jetzt sehr zufriedenstellend, es fehlt uns nur noch eine
Kleinigkeit. Aber darüber unterhalten wir uns gleich. Was mich
interessieren würde, woher kommt der Name Alina?«
»Von meinen Eltern«, antwortete sie lachend.
»Nein, ich meine, was bedeutet er?«
»Es gibt unterschiedliche Bedeutungen, aber die drei hauptsächlichen
sind edles Wesen, edle Gestalt und die Erhabene.
Klingt ziemlich hochtrabend, dabei heiße ich doch nur Alina.«
Passender hätte dein Name nicht sein können, dachte Durant
kurz und betrachtete noch einmal die nur etwa einen Meter von
ihr entfernt dastehende Frau.
»Es ist ein sehr schöner Name, und er passt zu Ihnen.«
»Danke«, erwiderte Alina Cornelius geheimnisvoll lächelnd,
»und wie ist Ihr Vorname, wenn ich fragen darf?«
»Julia.«
»Und was bedeutet das?«
»Auch unterschiedlich. Mein Vater hat mir mal gesagt, dass es
ein biblischer Name sei und so viel wie Jungfrau oder die Glänzende
bedeutet. Im Lateinischen einfach nur aus dem Geschlecht
der Julier stammend. Ich bevorzuge die erste Version.«
»Ich auch«, meinte Alina nur. Der Wasserkocher ging aus, sie
kippte das Wasser über den Tee, Durant nahm die Tassen und
ging vor ihr ins Wohnzimmer. Alina stellte die Kanne auf einen
Untersatz und setzte sich wieder. »Vier Minuten muss er ziehen.
Wie kann ich Ihnen helfen? Stört Sie die Musik?«
»Nein, überhaupt nicht. Was ist das, es kommt mir sehr bekannt
vor?«
»Die Pastorale von Beethoven, eine meiner Lieblingssinfonien.
Ich höre aber nicht nur Klassik, sondern auch ganz gerne
mal gute moderne Musik, und es darf ruhig auch mal etwas härter
sein. Es hängt von meiner Stimmung ab. Aber wie Sie sehen,
war ich gerade am Lesen, und dabei tut Beethoven oder Tschaikowsky
ganz gut. Doch Sie sind nicht hier, um sich mit mir über
meinen Musikgeschmack zu unterhalten.«
»Sie haben recht, deshalb bin ich nicht hier. Es geht um Frau
Sittler und ein paar Ungereimtheiten, die uns im Laufe der letzten
Tage aufgefallen sind. Sie waren fast zehn Jahre für Frau Sittler
tätig ...«
»Sagen Sie doch einfach Corinna«, wurde sie von Alina unterbrochen,
die zur Uhr schaute, das Sieb aus der Kanne nahm, auf
einen Teller legte und den Tee einschenkte. »Möchten Sie Kandiszucker?
Ich persönlich finde, es überdeckt den Vanillegeschmack.
«
»Nein, danke. Sie waren zehn Jahre für Corinna tätig. Sie haben
mir schon eine Menge über sie berichtet, und doch fehlt etwas. Hat sie wirklich nie mit Ihnen über ihre Vergangenheit gesprochen,
ich meine die Vergangenheit, bevor das mit der Agoraphobie
kam?«
»Was genau wollen Sie wissen?«
»Hat sie zum Beispiel jemals mit Ihnen ausführlicher über den
Überfall in der Tiefgarage gesprochen und welchen Hintergrund
dieser Überfall hatte? Ich weiß, dass ich Sie wegen des Überfalls
schon einmal gefragt habe, aber ich glaube, dass Sie doch mehr
wissen, als Sie mir am Montag gesagt haben.«
Alina lächelte wieder, nippte an ihrem Tee und sah über den
Tassenrand hinweg Julia Durant an. »Was würde es Ihnen bringen?
«
»Also ja. Was hat sie Ihnen denn erzählt?«
Alina stellte die Tasse zurück und antwortete: »Corinna hat
nie etwas erzählt. Sie war. was ihre Vergangenheit anging, verschlossen
wie eine Auster. Auch über ihre berufliche Tätigkeit bis
zu ihrem Tod war ich fast überhaupt nicht informiert. Was ich
wusste, habe ich Ihnen mitgeteilt.«
»Aber Sie hatten Informationen, oder?«
»Informationen kann man das nicht nennen, eher Gerüchte. Es
heißt, dass Corinna korrupt gewesen sein soll, was sich wohl aber
nicht beweisen ließ. Deshalb bin ich auch sehr vorsichtig, was
mein Urteil über sie diesbezüglich angeht.«
Durant zuckte innerlich zusammen, verengte die Augen für
einen Moment, bevor sie fragte: »Von wem hatten Sie denn diese
Informationen oder Gerüchte? Leslie?«
Alina schürzte die Lippen und nickte. »Sie hat es mir einmal
gesagt, aber das war mehr so nebenbei, wenn
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