Das Todeskreuz
»Was Neues?«
»Gleich, kann sich nur noch um Minuten handeln.«
Durant setzte sich auf den Rücksitz und wartete ungeduldig
auf die Nachricht. Nach einer Viertelstunde war es so weit, nicht
nur das Handy war geortet worden, sondern man hatte auch
gleich den Aufenthaltsort von Hellmer herausgefunden.
»Na also«, sagte Kullmer, »er ist im Hotel Lindner in Höchst
abgestiegen. Wollen wir doch mal sehen, was er dort so treibt.«
Montag, 23.20 Uhr
Hellmer hatte gegen dreizehn Uhr im Hotel eingecheckt
und war ab da von niemandem mehr gesehen worden. Sie baten
eine Angestellte mit einer Generalchipkarte mit nach oben zu
kommen und ihnen die Tür zu öffnen, falls Hellmer nicht von
allein aufmachte. Sie klopften mehrfach an die Tür, bis Durant
der Angestellten ein Zeichen gab.
»Danke für Ihre Hilfe, wir brauchen Sie nicht mehr«, sagte
sie, als die junge Frau mit ins Zimmer kommen wollte.
Hellmer lag angezogen auf dem Bett, davor drei leere Wodkaflaschen,
eine halbvolle stand auf dem Nachtschränkchen, vier
weitere noch volle befanden sich in einer Plastiktüte. Er hatte
sich erbrochen und ins Bett uriniert. Es stank säuerlich, doch Durant
schien das gar nicht zu bemerken. Sie hatte nur Angst um
Hellmer, den sie schon so lange kannte und den sie so sehr mochte,
ihn und seine Familie.
»Scheiße«, murmelte Kullmer entsetzt, als er seinen Kollegen
beinahe reglos daliegen sah. Ohne ein weiteres Wort wählte er die
112 und sagte, es gehe um Leben und Tod, man solle sich beeilen.
»Er atmet noch.« Durant schlug ihm ein paarmal auf die Wangen
und schüttelte ihn, ohne dass Hellmer reagierte. Sie konnte
die Tränen kaum noch unterdrücken. »Verdammter Mistkerl, du
wolltest dich einfach so aus dem Staub machen. Aber so einfach
machen wir's dir nicht, da musst du dir schon was anderes einfallen
lassen.«
»Du meinst, er wollte sich umbringen?«, fragte Seidel zweifelnd.
»Wonach sieht das denn deiner Meinung nach aus? Er hat's
nicht mehr gepackt.«
»Was?«
»Alles. Und ich hab's nicht gemerkt. Ich hoffe nur, dass er's
schafft«, sagte sie kaum hörbar.
»Ist die Richter dran schuld?«
»Nee, dazu gehören immer zwei. Da sind 'ne Menge Sachen
passiert, über die ich jetzt aber nicht reden möchte. Shit, ich hätte
es wirklich nicht für möglich gehalten, dass es so weit kommt.
Heute Vormittag hab ich noch gedacht, er schafft's.«
Der Notarzt erschien nur wenige Minuten nach Kullmers Anruf
mit einem Kollegen, bat die Beamten, ihm Platz zu machen,
untersuchte Hellmer, klopfte ihm ein paarmal auf die Wange,
doch er reagierte nur mit einem Knurren. Er fühlte seinen Puls,
nickte und sagte: »Sieht nach einer schweren Alkoholvergiftung
aus, er muss schnellstens in die Klinik. Da ist auch Blut im Erbrochenen.
«
»Wird er durchkommen?«, fragte Durant den noch jungen
Mann besorgt.
»Wir werden unser Bestes tun. Er ist bewusstlos, möglicherweise
hat er innere Blutungen. Ich sag Ihnen ganz ehrlich, ein
paar Minuten später und ... Wissen Sie, warum er das gemacht
hat? Hat er Probleme?«
»Eine Menge, ist aber im Moment unwichtig. Ich will nur,
dass er's schafft.«
Sie hatte es kaum ausgesprochen, als Hellmer die Augen einen
Spaltbreit öffnete und lallte: »Was's los?«
»Du kommst ins Krankenhaus. He, was machst du denn für
Sachen? Wolltest du dich umbringen?«
»Lass mich zufrieden«, fuhr er sie an, »ich brauch kein Krankenhaus,
ich brauch was zu trinken. Verschwindet und lasst mich
in Ruhe!«
»Auf die Bahre mit ihm«, sagte Durant. »Wo bringen Sie ihn
hin?«
»Ins Höchster Krankenhaus.«
»Ich will nicht in das Scheißkrankenhaus, mir geht's gut!«
»Wir können ihn auch zwangseinweisen lassen«, sagte der
junge Arzt. »Sie sind ja von der Polizei.«
»Und er auch. Vergessen Sie's, dann würde man ihn ja gleich
für sechs Wochen wegsperren. Es reicht, wenn er so schnell wie
möglich in die Klinik kommt und bestens versorgt wird.«
»Hat er Angehörige?«, fragte der Arzt und füllte den Einweisungsschein
aus.
»Frau und zwei Kinder.«
»Wollen Sie sie verständigen?«
»Ja, sicher.« Und zu Hellmer, dessen Widerstand allmählich
nachließ: »He, es wird alles gut, glaub mir. Du musst dich erholen.
«
»Hi, Julia«, sagte er, als würde er sie erst jetzt erkennen, »wo
ist Nadine?«
»Die kommt nachher.«
»Das ist gut«, erwiderte er, als er auf der Trage festgeschnallt
wurde. »Weißt du, ich liebe sie. Ich liebe sie mehr als
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