Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
bezweifelte , dann reagierte er nicht darauf.
    Er zuckte nur mit den Achseln, beendete seine Eintragungen und klappte das Buch wieder zu. Dann klaubte er einen Zimmerschlüssel von dem Bord hinter sich und reichte ihn mir.
    Ich sah, daß die meisten Schlüssel an ihren Haken hingen. Das Hotel mußte zum Großteil leerstehen. Kein Wunder.
    »Kein Gepäck?« fragte er mißtrauisch. Ich verneinte, und der Alte fügte hinzu: »Dann müssen Sie im voraus zahlen. Macht hundertfünfzig Gulden.«
    Ich nickte automatisch, griff nach meiner Brieftasche und hielt mitten in der Bewegung inne, als mir klar wurde, daß diese Summe fast fünfzig englischen Pfund entsprach. »Für eine Nacht?« fragte ich zweifelnd.
    Quasimodo nickte ungerührt. »Sie müssen’s ja nicht nehmen«, antwortete er. »Können gerne wieder gehen, ‘s gibt billigere Hotels.«
    Schaudernd blickte ich zur Tür. Der Nebel war mittlerweile so dicht geworden, daß das Glas aussah, als wäre es in graue Watte gepackt. Ohne ein weiteres Wort klappte ich meine Brieftasche auf, zählte den geforderten Betrag ab und schob ihn über die Theke. Der Alte griff mit einer flinken Bewegung danach und ließ die Scheine in seiner Hosentasche verschwinden. »Zimmer dreihundertdrei«, sagte er. »Im dritten Stock.
    Nummer steht an der Tür. Wenn Sie Frühstück wollen, müssen Sie sich am Abend vorher anmelden. Heute ist’s aber zu spät.«
    Der Gedanke an Frühstück war mir noch nicht einmal gekommen. Alles, was ich wollte, war schlafen. Und ich hätte wahrscheinlich auch lieber gehungert, als in diesem Etablissement irgend etwas zu mir zu nehmen. Morgen würde ich einige deutliche Worte mit Mijnheer DeVries wechseln. Was hatte er sich bloß dabei gedacht, mich in einem solchen Loch unterzubringen?

    Ohne ein weiteres Wort ging ich nach oben. Die morschen, gefährlich aussehenden Stufen ächzten und bebten unter meinem Gewicht, als wollte die gesamte Konstruktion jeden Moment zusammenbrechen, und die Luft roch zunehmend nach Staub und Alter, je höher ich kam. Das Hotel war sonderbar still. Nicht der geringste Laut war zu hören, und viele Türen standen offen. Die Zimmer dahinter waren leer und unbenutzt.
    Als ich das dritte Stockwerk erreichte, war ich vollkommen sicher, daß mir der Alte dieses Zimmer aus purer Gehässigkeit gegeben hatte, nachdem er gesehen hatte, wie müde ich war.
    Ich würde ihm gehörig die Meinung sagen.
    Aber erst, nachdem ich zwölf Stunden geschlafen hatte.
    Ich betrat mein Zimmer und wankte schnurstracks zum Bett.
    Ohne mir auch nur die Mühe zu machen, mich auszuziehen, ließ ich mich auf die schmutzigen Laken fallen. Müdigkeit und Erschöpfung schlugen wie eine mächtige, warme Woge über mir zusammen, und ich war schon halb eingeschlafen, als ich ein gewisses menschliches Bedürfnis verspürte, von dem auch Magier und Hexenmeister nicht verschont bleiben. Eine Zeitlang kämpfte ich dagegen an, sah dann aber ein, daß es ziemlich sinnlos war letztendlich würde ich doch aufstehen müssen , und erhob mich seufzend, um ins Bad zu gehen.
    Wankend vor Müdigkeit und mit halb geschlossenen Augen torkelte ich durch das Zimmer, öffnete die Tür zum Bad und tat einen großen Schritt in den Raum hinein. Ich hoffte, daß es in dieser Kaschemme wenigstens eine Toilette mit Wasserspülung gab.
    Ich hoffte vergebens.
    Es gab hier nicht nur keine Wasserspülung, es gab auch keine Toilette.
    Der Raum hatte nicht einmal einen Boden.
    Aber das bemerkte ich erst, als mein Fuß ins Leere stieß und ich wie ein Stein in die Tiefe kippte.
    Alles ging unglaublich schnell. Ich schrie auf, fiel mit hilflos rudernden Armen nach vorne und sah den Abgrund wie ein aufgerissenes Maul nach mir schnappen. Die zerborstenen Wände huschten an mir vorüber, und mein eigener Schrei hallte wie boshaftes Hohngelächter in meinen Ohren wider.
    Verzweifelt griff ich um mich, bekam irgend etwas zu fassen und klammerte mich mit aller Gewalt fest.
    Der Ruck schien mir die Arme aus den Gelenken zu reißen.
    Meine Hände glitten an dem rauhen Holz ab, drohten den Halt zu verlieren. Ein Span riß mir die Rechte vom Daumen bis zur Handwurzel auf, aber ich hielt eisern fest. Vorsichtig griff ich erst mit der Rechten, dann mit der Linken nach und umfaßte schließlich sicher einen Balken, der über mir aus der Wand ragte. Sekundenlang blieb ich mit geschlossenen Augen so hängen und rang nach Atem. Erst dann wagte ich es, die Augen zu öffnen und mich umzusehen.
    Der Anblick ließ

Weitere Kostenlose Bücher