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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mein Herz einen schmerzhaften Sprung machen.
    Der Balken, an dem ich mich im letzten Moment festgeklammert hatte, war alles, was vom Boden des Zimmers übriggeblieben war. Die Zwischendecke war zusammengebrochen, vielleicht schon vor Jahren, und hatte dabei die gesamte Einrichtung des kleinen Raumes mit sich gerissen. Aus den Wänden ragten die zerfetzten Überreste von Bleirohren und Leitungen. Selbst der Balken, an dem ich hing, war nur noch zu einem Drittel vorhanden. Wäre ich zehn Inches weiter nach vorne gestürzt, hätten meine Hände ins Leere gegriffen.
    Meine Beine pendelten frei über einem drei Stockwerke tiefen Abgrund. Nicht nur der Boden des Badezimmers war eingebrochen die Trümmer hatten auch die darunterliegenden Etagen durchschlagen. Es war ein rechteckiger, bis in die Kellergeschosse reichender Schacht.

    Meine Hände meldeten sich mit pochenden Schmerzen. Ich löste meinen Blick von der dräuenden Finsternis unter mir, biß die Zähne zusammen und begann mich langsam, unendlich langsam an dem Balken entlang auf die offenstehende Tür zuzuhangeln.
    Die Strecke war nicht weit vielleicht dreißig Inches, aber es hätten ebensogut dreißig Meilen sein können. Meine Muskeln begannen mir den Dienst zu versagen. Der Abgrund zerrte mit unsichtbaren Händen an meinen Beinen. Aber ich schaffte es.
    Mit letzter Kraft erreichte ich die Tür, meine Finger krallten sich in den zerschlissenen Teppichrand, und ich zog mich in die Sicherheit des Hotelzimmers hinauf. Dann schwanden mir endgültig die Sinne.

    Jemand machte sich an meiner Hand zu schaffen, als ich erwachte, und was immer er tat, es verursachte höllische Schmerzen.
    Ich stöhnte, versuchte mich aufzusetzen und gleichzeitig meine Hand zurückzuziehen, schaffte aber weder das eine noch das andere. Eine Hand stieß mich mit sanfter Gewalt zurück, und eine andere hielt mein rechtes Handgelenk behutsam, aber mit großer Kraft fest.
    »Halten Sie still«, sagte eine Stimme. »Es dauert nur noch einen Moment.«
    Ich gehorchte, biß die Zähne zusammen, als sich ein neuer, dünner Schmerz in meinen Arm bohrte, und öffnete erst jetzt die Augen.
    Ich lag auf dem Bett meines Zimmers. Der Fensterladen war geöffnet worden, und grelles Sonnenlicht stach in meine Augen. So konnte ich die Gestalt, die neben mir auf der Bettkante saß, im ersten Moment nur als verschwommenen Schatten gegen das Fenster ausmachen. Hinter ihr erhob sich ein zweiter Schatten, und irgendwo links von mir rumorte noch jemand. Sie waren also mindestens zu dritt.
    Der Schmerz in meiner Hand erlosch plötzlich, und auch das Hämmern hinter meiner Stirn sank auf ein erträgliches Maß herab. Die wirbelnden Schleier vor meinen Augen lichteten sich allmählich.
    Der Mann ließ meinen Arm los, setzte sich auf und lächelte.
    Ich erkannte jetzt, daß er nicht sehr viel älter war als ich
    vielleicht dreißig und ein offenes, sympathisches Gesicht hatte. Sein blondes Haar war streichholzkurz geschnitten. Er trug Jeans und ein Polohemd, darüber aber einen ganz und gar unpassenden Trenchcoat. Der schwarze Schatten hinter ihm gerann zu einem hochgewachsenen, sehr schlanken Mann in einer dunkelblauen, niederländischen Polizeiuniform.
    Dann, schlagartig, kehrten auch meine Erinnerungen zurück.
    Erschrocken wandte ich den Kopf und blickte zur Badezimmertür hinüber. Sie war wieder geschlossen, aber allein die Erinnerung an das, was geschehen war, ließ einen eisigen Schauer über meinen Rücken rieseln.
    Der Fremde war meinem Blick gefolgt, und als ich ihn wieder ansah, entdeckte ich eine sonderbare Mischung aus Freundlichkeit und Sorge in seinen Augen.
    »Alles wieder okay?« fragte er.
    Ich nickte noch immer, ohne ein Wort zu sagen , und er beugte sich vor und hob etwas auf, das neben mir auf dem Bett gelegen hatte. Es war ein gut drei Zoll langer, nadelspitzer Holzsplitter, an dessen Ende geronnenes Blut klebte. »Das da war in Ihrer Hand«, sagte er freundlich. »Muß verdammt weh getan haben. Haben Sie eine Ahnung, wie es hineingekommen ist?«
    Ich setzte zu einer Antwort an aber dann überlegte ich es mir wieder. Irgendwie wäre ich mir albern dabei vorgekommen, ihm zu erklären, daß ich ins Klo gefallen war … Statt dessen zuckte ich nur die Achseln und schüttelte stumm den Kopf.
    »Na, macht auch nichts«, sagte der andere. Plötzlich lächelte er wieder. »Sie sind Robert Craven, stimmt’s? Ich bin Frans Dreistmeer.«
    Er hielt mir seine ausgestreckte Hand entgegen, und ich griff

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