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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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heraus und reichte es ihm. Dreistmeer überflog das Blatt flüchtig, reichte es mir zurück und sah mich auf sehr sonderbare Weise an. Beunruhigt faltete ich das Blatt abermals auseinander, las es, stutzte, las es noch einmal und fuhr mir mit dem Handrücken über die Augen. Für einen Moment weigerte ich mich einfach zu glauben, was ich da sah.
    Auf dem Telegramm stand eindeutig: Hotel Corona .
    Aber das war doch unmöglich! Ich wußte mit hundertprozentiger Sicherheit, daß ich mich nicht geirrt hatte. Ich hatte den Namen ja noch extra von diesem Blatt abgeschrieben, als ich versuchte, mich mit dem Taxifahrer zu verständigen. Was ging hier vor?
    Dreistmeer sah mich weiter auf diese beunruhigend mißtrauische Weise an, gab sich dann aber einen merklichen Ruck und lächelte wieder. »Irrtümer kommen vor«, sagte er. »Aber warum sind Sie nicht weitergefahren, als das Taxi Sie hierhergebracht hat?«
    Eine gute Frage. Ja, warum war ich eigentlich nicht weitergefahren? »Ich … ich dachte, es …«, begann ich, lächelte nervös und setzte noch einmal von neuem an. »Mijnheer DeVries nannte mir diesen Treffpunkt, wissen Sie? Ich habe mich auch gewundert. Aber ich dachte, er würde hier auf mich warten.«
    Dreistmeers Blick machte deutlich, was er von dieser Antwort hielt. Aber er widersprach nicht, sondern zuckte nach einer Weile abermals mit den Achseln. Dann fiel mir etwas ein.
    »Woher wußten Sie überhaupt, wo Sie mich finden würden?« fragte ich.
    Dreistmeer lächelte dünn. »Oh, das war leicht«, sagte er.
    »Wir haben den Taxifahrer gefunden, der Sie von Rotterdam aus hierhergefahren hat.«
    Darauf antwortete ich vorsichtshalber nichts mehr.

    Das nächste, was ich von Amsterdam kennenlernte, war die Polizeizentrale, in die Dreistmeer mich mitnahm. Wir sprachen nicht viel auf dem Weg dorthin, und auch nach unserer Ankunft kamen wir nicht gleich dazu was ich nur begrüßte, denn ich war so verwirrt, daß ich ohnehin kaum ein vernünftiges Wort herausgebracht hätte, und das nicht nur, weil ich zum zweitenmal innerhalb weniger Stunden mit knapper Not dem Tode entronnen war das war etwas, woran ich mich gewissermaßen allmählich zu gewöhnen begann , nein, da war noch mehr. An der Sonne, die hoch über den Dächern Amsterdams am Himmel stand, erkannte ich, daß es auf Mittag zuging, und die Vorstellung, daß ich fast vierzehn Stunden lang bewußtlos gewesen sein sollte, beunruhigte mich zutiefst. Und da war die Sache mit dem Telegramm verdammt, ich wußte genau, daß ich mich nicht in der Adresse vertan hatte!

    Aber was war es dann gewesen? Zauberei? Ich beschloß abzuwarten, bis ich mit Dreistmeer allein war, und vorsichtig herauszufinden, inwieweit ich ihm die Wahrheit zumuten konnte. Er war Jeremys Freund, und das allein war ein Grund für mich, ihm zu vertrauen. Die Frage war nur, ob er mir glauben würde.
    Vorerst jedoch kamen wir nicht dazu, in aller Ruhe über Gespenster und Magie zu plaudern, denn Dreistmeer verfrachtete mich kurzerhand zum Polizeiarzt, kaum daß wir das Revier erreicht hatten. Als ich lautstark zu protestieren begann, vergaß er schlagartig jeden Brocken Englisch, den er je gesprochen hatte, deutete nur mit der Hand auf sein Ohr und zuckte die Achseln.
    »Ik kan niet verstaan«, sagte er grinsend.
    Ich kapitulierte. Und eigentlich war ich sogar ganz froh, auf diese Weise noch ein wenig Zeit zum Nachdenken herausgeschunden zu haben.
    Der Arzt untersuchte mich gründlich und begann dann all die kleineren und größeren Blessuren zu versorgen, die ich in den letzten vierundzwanzig Stunden davongetragen hatte. Er sagte während der ganzen Zeit kein Wort, aber er schüttelte dafür unentwegt den Kopf, und sein Gesichtsausdruck wurde immer finsterer. Als er mit mir fertig war, sah ich aus wie eine Mumie auf Urlaub.

    Dreistmeer erwartete mich in einem winzigen, bis an die Decke mit Akten und Papieren vollgestopften Büro. Er telefonierte, als ich eintrat, bedeutete mir aber mit einer Geste, Platz zu nehmen, und scheuchte mit der gleichen Handbewegung den Polizisten fort, der mich hergebracht hatte. Ich setzte mich und wartete geduldig, bis er sein Gespräch beendet hatte. »Geht es besser?« fragte er.
    Ich nickte dankbar. »Ihr Arzt hat sich hervorragend um mich gekümmert. Aber ich bin ein wenig durstig. Wenn Sie vielleicht ein Glas Wasser …«
    Dreistmeer stand halb auf, ließ sich dann wieder zurücksinken und streifte den Hemdsärmel zurück, um auf seine Armbanduhr zu sehen. »Ich

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