Das Tor nach Andoran (German Edition)
ihm mitten im Satz das Wort ab. »Die Einhörner sind magische Wesen, welche die Natur und alle ihre Geschöpfe im Gleichgewicht halten. Du tötest sie und willst meine Hilfe, um auch noch das letzte der Gier des Barons zu opfern.«
Nun nahm die Stimme des Schamanen einen vorwurfvollen belastenden Ton an, bei dem Gallan das Blut in den Adern zu erstarren drohte. Obwohl Belgan nicht lauter sprach, als er ihn begrüßte, beschlich ihn ein mulmiges Gefühl.
Diesen sanften weisen Mann hatte er noch nie zuvor in solch einem Ton mit jemand reden hören.
Gallan kannte Belgan seit seiner Kindheit und er fragte sich, wie der alte Mann das alles wissen konnte. Reichten seine Fähigkeiten weiter, als sich Gallan das träumen ließ? Was bedeutete das Gerede vom Gleichgewicht der Natur und vom Sterben dieser Welt?
»Woher weißt du von meinen Taten, lässt du mich heimlich beobachten,« fragte Gallan verunsichert. Doch statt einer Antwort warf der Schamane eine Handvoll Kräuter, die er aus seinem Umhang holte ins Feuer. Sogleich stieg dichter weißer Rauch empor und hüllte sie beide ein. »Komm ich führe dich auf eine Reise du Unwissender,« hörte Gallan den Schamanen wie aus weiter Ferne sagen. Der weiße Nebel stieg bis zur Decke der Hütte empor, aber irgendwie verließ er sie nicht durch die Öffnung. Obwohl Belgan nur zwei Schritte von ihm entfernt war, konnte Gallan ihn nicht sehen und ihm war, als löse sich Belgans Heim um ihn herum auf. Als sich der Rauch verzog, stand Gallan mitten auf der Ebene. Verwirrt sah er sich um.
Wo war er? Gallan drehte sich um seine eigene Achse, dabei fiel sein Blick auf einen mit vertrocknetem grasbewachsenen Erdhügel, nicht weit von ihm entfernt. * Träumte er oder verabreichte der Schamane ihn eine Droge, die ihm das alles hier vorgaukelte? *
Gallan bewegte sich auf den Hügel zu, da fiel ihm das ausgetrocknete von der Sonne verbrannte Gras unter seinen Füßen auf, das bei jedem Schritt raschelte und zu Staub zerfiel. Nun wurde er sich auch der sengenden Strahlen der Sonne bewusst die von einem an flüssiges Blei erinnernden Himmel herabbrannte und kaum Luft zum Atmen ließ. Erneut fragte er sich. * Wo bin ich gelandet. Auf einer anderen Welt? * Es gab nichts außer dem Erdhaus, das er zu kennen glaubte.
Wenige Schritte vor dem Eingang zur Hütte hörte Gallan unter seinen Schritten ein trockenes Knacken und sah verwundert zu Boden. Vor ihm lag im Staub der bleiche Schädelknochen eines Kaninchens, auf den er getreten war. Gallan schritt weiter auf den Eingang zu, der je näher er kam, irgendwie anders aussah. Erst beim Näherkommen erkannte er warum. Der Balken, der den Eingang stützte, hing halb herunter und die Seitenpfosten waren gesplittert unter dem Druck des Daches zusammengebrochen. Die unzähligen Löcher im Dach gewährten ein Blick in das mit Erdreich und Staub angefüllte Innere. Vor dem Eingang lagen vom Wind zusammengetriebene rund Büsche, die sich bei jedem Luftzug bewegten. Gallan schob mit dem Fuß die Büsche zur Seite und zwängte sich nach drinnen. Die Strahlenfinger der Sonne, welche durch das löchrige Dach fielen, tauchten das Innere in ein unwirkliches Licht. Bei jedem Schritt, den er zögernd vorwärtsging, wirbelte feiner Staub auf, der in den Lichtstrahlen tanzte.
Der hintere Teil, der Belgan als Schlafraum diente war einigermaßen gut erhalten. Die Seitenwände aus jungen Baumstämmen wirkten morsch und hatten teilweise schon nachgegeben. Auf dem Bettgestell lag eine zentimeterdicke Schicht Staub, die schon Jahre alt sein musste. Neben dem Bett auf dem festgetretenen Fußboden lagen die bleichen trockenen Knochen Belgans, den er nur an seiner Kleidung wiedererkannte.
*Was war geschehen?, fragte sich Gallan erschüttert. War das Gleichgewicht der Natur wirklich so aus Fugen geraten ? Wo war das saftige grüne Gras geblieben? Gallan hatte nichts als ausgedörrte Steppe, in der die Luft vor Hitze flirrte, gesehen. Wo war sein Volk, das ganz in der Nähe des Flusses lebte? *
Mit einem Mal trat Gallan der Schweiß aus sämtlichen Poren der Haut und rann ihm in Bächen über Stirn und Rücken. Ein Gefühl von Unruhe, begleitet von ahnungsvollem Schrecken griff nach seinem Herzen und er stürmte schwer keuchend ins Freie.
An den morschen Seitenpfosten des Eingangs gestützt blickte er suchend hinunter zum Fluss, an dem die kleine Stadt seines Stammes liegen musste. Ohne sich dessen bewusst zu werden, setzte er immer schneller werdend einen Fuß vor
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