Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Decken, Proviant und zwei Ballen feinster Wolle, die in London verladen und mit dem Schiff aufs Festland gebracht werden sollten. Nach ein paar letzten Anweisungen gab er Agatha noch genügend Geld für die Zeit seiner Abwesenheit. Dann verschloss er seine Kammer, versteckte den Wechsel im Stiefel, befestigte eine halb gefüllte Geldbörse am Gürtel und verbarg einen weiteren Beutel mit Münzen unter seinem Hemd.
Catlin staunte, wie viele Reichtümer Nigel besaß. Ob er das alles gestohlen hatte?
»Das meiste hat mir mein Vater hinterlassen«, erklärte er beim Anblick ihres ungläubigen Gesichts.
»Aber warum stiehlst du, wenn du doch so viel besitzt?«
»Würde ich silberne Teller und Leuchter oder gar Edelsteine veräußern, so spräche sich rasch herum, dass ich in Geldnot bin. Jene, die Profit aus möglichen Schwierigkeiten meines Vaters schlagen wollten, wären nicht weit, und schon bald spräche sich herum, dass er wohl niemals heimkehren wird. Lasse ich aber in seinem Namen der Kirche großzügige Almosen zukommen und mir hin und wieder neue Stiefel und Kleider anfertigen, so kommt kein Mensch auf den Gedanken, dass etwas nicht stimmt.«
Catlin nickte. Sie verstand sehr wohl, dass Nigel tat, was er tun zu müssen glaubte, auch wenn es sicher falsch war. Doch wer war sie, dass sie ihn dafür verurteilen durfte? Handelte sie nicht selbst nach eigenem Gutdünken, obwohl sie ihren Vater damit verletzte und seinen Willen missachtete, ohne zu wissen, ob ihr Vorhaben je gelänge? War ihr Ungehorsam nicht ebenfalls ein Vergehen wider die Gebote des Herrn? Wie sollte ausgerechnet sie sich da zu Nigels Richter aufschwingen? »Es ist nicht wichtig, was ich darüber denke«, sagte sie und wandte sich ab. Gott selbst würde Nigel eines Tages richten und entscheiden, ob der Junge mit seinen guten Taten die schlechten wettgemacht hatte. Catlin vermochte nicht zu sagen, ob sie sich womöglich ebenfalls schuldig machte, weil Nigel mit dem gestohlenen Geld für sie sorgte, oder ob ihr Wohlergehen als Teil seiner Sühne gelten durfte. Nigel war gewiss kein übler Kerl, darum beschloss sie, ihn künftig in ihre Gebete einzuschließen und den Allmächtigen um Vergebung für ihn anzuflehen. Vielleicht, so hoffte sie im tiefsten Innern, kam es Nigel am Jüngsten Tag zugute, dass er sie nicht im Stich gelassen hatte, als sie krank und wehrlos gewesen war. Und wenn sie es schaffte, das angestrebte Ziel zu erreichen und Gott eines Tages mit dem Klang einer ganz besonderen Glocke zu erfreuen, dann vergab er vielleicht nicht nur ihr, sondern auch Quickhands.
»Vermutlich ahnt Agatha, dass dein Vater gar nicht in London ist«, sagte Catlin, nachdem sie Norwich verlassen hatten und eine Weile schweigend nebeneinanderher geritten waren.
»Sie ahnt es nicht nur, sie weiß es«, sagte Nigel, ohne Catlin anzusehen. »Sie war meine Amme und kennt mich wie kein anderer: meine Geheimnisse, was ich liebe und fürchte … Sie weiß alles über mich. Sogar, dass ich dich …« Nigel hielt inne. » … dass ich dich nach London begleite, weil ich dich in Sicherheit wissen will«, fügte er rasch hinzu.
Catlin lächelte unsicher. Sie bezweifelte, dass er sie zu beschützen vermochte, falls sie von Räubern angegriffen würden. Trotzdem war sie froh, nicht allein reisen zu müssen, und Nigel überaus dankbar für seine Begleitung.
»Ich muss aufpassen, wenn wir erst in London sind«, hob Nigel nach einer Weile an. »Die Leute werden mich ausfragen. Wo mein Vater ist und warum er nicht selbst kommt. Sage ich ihnen, er sei krank und könne darum nicht reisen, so wünscht sich wohl mehr als einer, dass er bald das Zeitliche segnet – in der Hoffnung, das Kontor meines Vaters unter Wert aufzukaufen, angebliche Schulden einzufordern oder mich sonst irgendwie zu übervorteilen. Besonders die Neugier meines Onkels fürchte ich. Er ist der jüngere Bruder meines Vaters und hat schon vor Jahren das von seinem Weib geerbte Vermögen verspielt. Seit Langem unterstützt mein Vater ihn überaus großzügig, und auch ich habe ihm in letzter Zeit immer wieder Geld zukommen lassen, damit er keinen Verdacht schöpft.« Nigel schwieg einen Augenblick lang, dann sah er Catlin bittend an. »Ich muss ihn besuchen, wenn wir in London sind. Bitte begleite mich, und erzähl ihm von meinem Vater, was ich dir auftrage.« Er senkte den Blick. »Glaub mir, ich schäme mich, weil ich das von dir verlange«, fügte er mit belegter Stimme hinzu.
Nigel wusste aus ihren
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