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Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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Dieb. Durfte sie einen Dieb überhaupt zum Freund haben? Sie legte die Stirn in Falten. Die Männer, die vor einiger Zeit die Schmiede überfallen hatten, waren Plünderer und Mörder gewesen und zu Recht an den Galgen gekommen. Gab es einen Unterschied zwischen solchen Räubern und einem kleinen Taschendieb? Würde Gott Nigel verzeihen, wenn er bereute? Oder würde der Junge eines Tages in der Hölle schmoren? Diebstahl war Sünde, das stand zweifelsfrei fest. Andererseits befand sich Nigel in einer Notlage. Gewissermaßen. Beraubten nicht auch die Lords und Ladys das Volk? Und die Kirche, ja, sogar der König holten sich vom Pöbel, was sie zu brauchen glaubten. Ob Abgaben für den Bau eines Gotteshauses oder zusätzliche Steuern für einen Krieg – wie oft nahmen sie ihren Untertanen das sauer verdiente Geld fort? In die Hölle kamen sie dafür nicht. Sie beichteten ihre Sünden, bereuten, und der Herr vergab ihnen. Warum also sollte Nigel nicht doch eines Tages das Tor zur Ewigkeit durchschreiten und mit den Engeln den Herrn preisen?
    Catlin berührte seine Hand. »Warum hast du mich gerettet?«
    »Weil der Lump dich in sein Hurenhaus bringen wollte, doch dorthin gehörst du nicht.« Nigel runzelte die Stirn.
    »Danke«, hauchte Catlin. Ganz gleich, ob er ein Dieb war oder nicht, Nigel schien ein gutes Herz zu haben. Sie öffnete brav den Mund, als er ihr den nächsten Löffel hinstreckte, und aß.
    »Du bist nicht von hier«, stellte er fest.
    Catlin schüttelte den Kopf. »Üchuche Chon, gen Gockengiefer«, sagte sie mit vollem Mund.
    Nigel lachte. »Chon, gen Gockengiefer? Was, bitte, soll das denn heißen?«
    Catlin kaute, wedelte mit der Hand, bis sie so weit war, dass sie schlucken konnte, und wiederholte ihre Worte. »Ich suche John, den Glockengießer.«
    »Und der stammt aus Norwich?«
    »Nein, aber ich hoffe, dass ich ihn finde. Ich glaube, er versucht hier Arbeit zu finden.« Dann erzählte sie Nigel, warum sie dem Glockengießer gefolgt war. »Und wovon träumst du?«
    »Ich wäre gern ein angesehener Kaufmann wie mein Vater und zugleich der beste Dieb Londons. Im Geheimen, versteht sich.« Er seufzte. »Ich würde nur Reiche bestehlen und alles den Armen geben.«
    »Aber für das Stehlen landest du in der Hölle!«, rief Catlin besorgt aus.
    »Selbst wenn ich alles den Armen und der Kirche gäbe?« Nigel musterte sie ungläubig. »Denk doch nur an all das Gute, das ich tun könnte.«
    Catlin wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Seine Sünden zu bereuen war Voraussetzung, um Vergebung zu erlangen, doch Nigel schien alles andere als reumütig, darum kam sie lieber wieder auf den Glockengießer zu sprechen.
    »Nun, Gotteshäuser, in denen du nach ihm fragen kannst, gibt es hier viele.« Nigel zog die Brauen hoch. »Bitte, einen Löffel noch!« Er lächelte. »Sobald es dir besser geht, helfe ich dir bei der Suche. Aber jetzt solltest du dich ein bisschen ausruhen.«
    Catlin nickte brav, gähnte und schlief rasch wieder ein.
    Eine knappe Woche später ging es Catlin gut genug, um aufstehen und sich anziehen zu können. Der Husten klang nicht mehr so rau, und die Fieberhitze war verschwunden. Obgleich sie sich noch schwach fühlte, konnte sie es kaum erwarten, den Glockengießer endlich zu finden.
    »Wenn du willst, fangen wir bei den Kirchen hier in der Nähe an, da wären Saint Anne, Peter und Paul, Saint Matthews und noch einige andere, bei denen wir fragen können«, zählte Nigel auf und ging voran.
    Catlin blinzelte geblendet, als sie aus dem dunklen Hausflur ins helle Tageslicht trat.
    »Obacht!«, rief Nigel, streckte den Arm schützend vor sie und drückte sie an die Hauswand. Ein Ochsengespann holperte rumpelnd die enge Gasse hinunter. »Puh, das war knapp!« Er musterte sie besorgt. »Geht es dir gut?«
    »Ja!«, rief sie gegen das Poltern an. »Ich glaube, ich muss nur besser achtgeben.« Obwohl sie schon nach wenigen Schritten außer Atem geriet, folgte sie Nigel, so rasch sie konnte.
    »Die Taubenpasteten hier schmecken köstlich!« Ihr Begleiter zog sie zu einem Laden, wo er zwei goldgelbe Pasteten kaufte und ihr eine davon reichte. »Hier, koste einmal!«
    Zum ersten Mal seit Tagen hatte Catlin wieder Appetit. Gierig biss sie in die heiße Pastete, während sie weitergingen.
    Für einen winzigen Augenblick blieb Nigel hinter ihr zurück. Noch ehe sie recht bemerkt hatte, dass er nicht mehr an ihrer Seite war, hatte er sie schon wieder eingeholt und schlenderte neben ihr

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