Das Totenhaus
beabsichtigen, mit diesem medizinischen Wissen der Gesellschaft zu helfen. Das ist wohl kaum ein böses Motiv, oder, Ms. Cooper? Es gibt immer noch Gegenden auf dieser Welt, wo diese Krankheiten noch nicht ausgemerzt sind. Es existieren immer noch Viren, die gegen unsere derzeitig verfügbaren Medikamente resistent sind.« Sein Ton wurde schärfer. »Sie denken wohl, ich sollte jemand anderen davon profitieren lassen, obwohl es völlig legal ist, dass ich das selbst tue?«
»Aber sicher hat Professor Lavery auch das Recht -«
»Sind wir jetzt bei den Rechten, Madame Staatsanwältin? Hören Sie, jeder da drüben gräbt aus einem bestimmten Grund auf der Insel herum. Maßen Sie sich an, zu entscheiden, welcher von uns die egoistischeren oder altruistischeren Motive hat? Machen Sie sich nicht lächerlich. Recantati hat gesagt, dass er uns morgen alle zusammentrommeln will, um über Lola Dakota zu reden - Lavery, Shreve, Lockhart, Foote. Gesellen Sie sich zu uns, Ms. Cooper. Lernen Sie die Schattenseite der akademischen Zunft kennen.«
»Das habe ich auch vor. Professor Grenier, können Sie mir sagen, ob es ein Büro oder einen Raum gibt, der als Basis für das Blackwell's-Projekt dient? So etwas wie ein Hauptquartier für Sie alle?« Etwas, wo man nur mit einem Schlüssel reinkommt, dachte ich bei mir.
»King's College ist klein genug, und unsere Büros liegen hier in diesem Gebäude so nah beisammen, dass es dafür keinen Bedarf gab. Fürs Erste haben wir drüben auf Roosevelt Island nur ein Einzimmerapartment mit einer Sekretärin in der Main Street gemietet. Bis wir etwas Größeres brauchen, benutzen wir es, um dort die Objekte aufzubewahren, die wir eventuell bei den Grabungen finden.«
»Wer hat einen Schlüssel zu diesem Apartment?«
Er gähnte wieder. »Wir alle. Sogar einige von den Studenten. Dort sind keine Geheimnisse zu finden, falls Sie das denken. Nur ein Schreibtisch, ein Telefon und einige Aktenschränke. Sie können es sich gerne jederzeit ansehen. Wonach suchen Sie?«
Ich wünschte, ich wüsste es. »Etwas, das mit Blackwell's zu tun hat und das man unter Verschluss hält.«
Grenier stellte die Doppelhelix auf eine Ecke seines Schreibtischs. »Zweifellos eines von Lolas kleinen Geheimnissen. Ich werde darüber schlafen, Ms. Cooper. Vielleicht weiß einer meiner charmanten Kollegen die Antwort.« Er stand auf. »Wenn ich es recht verstanden habe, soll ich Ihnen die Kisten mit Lolas Büchern zeigen?«
»Das wäre hilfreich.« Wir gingen ein paar Meter den Gang hinunter. Die Tür der Kammer war nicht abgeschlossen, und er schaltete das Licht ein. An den kahlen Wänden standen ringsum Pappkartons.
»Paolo sagt, dass man sie hier hereingebracht hat, während ich weg war. Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
»Nicht wirklich.« Nicht, dass ich Ihnen das auf die Nase binden müsste.
»Er sagte, dass dort drüben neben dem Fenster ein Inventarverzeichnis hängt. Sehen Sie es?« Ich blickte über die Kisten hinweg und nickte. »Finden Sie selbst wieder hinaus?«
»Ja, danke.«
Grenier verabschiedete sich, und ich fing an, die Auflistung der Bücher zu überfliegen. Es war eine eklektische Mischung, von Chernows brillanten Biografien der Wirtschaftstitanen bis zu Wallace' definitiver Studie von New York, von geologischen Gutachten aus dem neunzehnten Jahrhundert bis zu Berichten der städtischen Strafvollzugsbehörde aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert; Erzählungen von Einwanderern aus jedem Teil der Welt und Geschichten des städtischen Amerika. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemanden nicht zu mögen, der Bücher so geliebt und mit so viel Sorgfalt aufbewahrt hatte.
Ich fuhr mit dem Finger über die Liste, die an der Wand über den Kisten hing, und fand das, wonach ich suchte, in Kiste achtzehn.
Das einzige Geräusch in dem leeren Flur war der dumpfe Ton der Bücherkisten, die ich verrückte und umstapelte, um zu der Kiste zu gelangen, die ich wollte. Auf der Lasche stand »Blackwell's-Projekt - Zuchthaus.« Ich zog sie aus dem Stapel und setzte mich auf den Boden, um ihren Inhalt zu studieren.
Die obenauf liegenden Bände waren Jahresberichte des städtischen Gesundheitsamtes, das diejenigen Gefangenen überwachte, die in den anderen Einrichtungen »Krankendienst« machten. Darunter waren Unterlagen der städtischen Strafvollzugsbehörde, auch über MacCormicks Razzia, nach der das Zuchthaus für immer geschlossen wurde. Ich nahm mir ein paar Exemplare und machte einen Vermerk darüber,
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