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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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total den Verstand verloren, zu denken, dass er das Mädchen ein zweites Mal hier zurücklassen könnte?
    Ich war mir jetzt sicher, dass ich das Verwaltungsgebäude in Begleitung von Sylvia Foote verlassen hatte, nachdem das Treffen heute Nachmittag zu Ende gegangen war. Ich zwang mich, zu Charlottes Leichnam hinüberzuschauen, um zu sehen, ob noch andere Fächer belegt waren. Aber das Schneetreiben und die Schatten machten es mir unmöglich, etwas zu sehen.
    »Sylvia Foote? Ist sie auch hier, Mr. Shreve?« Ich dachte an all die Auseinandersetzungen, die ich mit ihr gehabt hatte, und an all die Augenblicke, in denen ich ihr nichts Gutes gewünscht hatte. »Ist sie tot?«
    Er drückte sich von seinem Platz auf dem Fensterbrett ab und rieb sich die Hände, um seine Handschuhe sauber zu kriegen. »Nein, ganz und gar nicht, Alex. Sylvia ist mein Alibi für heute Abend. Ich habe seit dem Spätnachmittag Stunden bei ihr im Krankenhaus verbracht. Ich habe sie selbst hingebracht, direkt in die Notaufnahme. Ich blieb bei ihr, während sie untersucht und ihr der Magen ausgepumpt wurde. Ich war die ganze Zeit an ihrer Seite. Ich habe mich rührend um sie gekümmert, bis sie sich stabilisiert hatte und man beschloss, sie zur Sicherheit über Nacht in der Klinik zu behalten. Eine üble Lebensmittelvergiftung. Sie muss irgendetwas Falsches gegessen oder getrunken haben.«
     
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    »Wir werden einen kleinen Spaziergang machen«, sagte Shreve, während er das Stofftuch, mit dem er meine Knöchel gefesselt hatte, aufknotete. »Vielleicht beruhigt es Sie, wenn ich Sie von Charlotte wegbringe.«
    Er stützte mich am Ellbogen und half mir auf die Beine. Die Decke rutschte zu Boden, und er bückte sich, um sie aufzuheben, und zog mir dann die Kapuze meines Anoraks auf den Kopf. Ich versuchte, das Gleichgewicht zu halten, ohne ihn zu berühren, aber meine Beine waren von der Kälte und der langen Zeit der Unbeweglichkeit taub.
    Shreve stützte mich, als ich wackligen Schrittes an den Leichenfächern und dem gefrorenen Leichnam der jungen Studentin vorbei zum Eingangsbogen und hinaus ins Freie ging.
    Ungefähr hundert Meter südlich stand die gewaltige Ruine der Pockenklinik. Er führte mich auf den glatten Fußwegen dorthin, wobei wir beide wegen der kräftigen Windböen, die vom East River herüberbliesen, den Kopf gesenkt hielten. Wenn ich von Zeit zu Zeit den Kopf hob, um zu sehen, wohin wir gingen, konnte ich die zinnenartige Dachkante des unheimlichen Gebäudekolosses vor uns erkennen.
    Ich verfluchte mich für die vielen Male, in denen ich vom FDR Drive auf die eleganten Umrisse dieses gotischen Meisterwerks geblickt und es mir als einen romantischen und malerischen Ort vorgestellt hatte. Jetzt würde dieses Höllenloch, wo Tausende von Menschen vor mir umgekommen waren, vielleicht auch mein schneebedecktes Grab werden. Was hatte Mike heute auf dem Weg in die Arbeit zu mir gesagt? Ich kenne keine andere Frau, die so viel Glück hat wie du? Bei dem Gedanken daran musste ich fast lächeln.
    Holzpfosten stützten wie überlange Stelzen die Rückwand des alten Granitbauwerks. Wir stapften um sie herum, und unsere Fußspuren wurden sofort vom Schnee bedeckt. Als Shreve durch einen Türrahmen ging, zog er eine kleine Taschenlampe aus seiner Tasche und schaltete sie ein, damit wir uns leichter durch die mit Abfall übersäten, verlassenen Räume bewegen konnten. Das Licht von der winzigen Plastiklampe war zu schwach, als dass man es von der anderen Seite des Flusses her hätte sehen können. Außerdem wusste ich, dass es völlig von den Flutlichtern überstrahlt werden würde, die draußen vom Boden aus die großartige Fassade anstrahlten, von den Lichtern, die es mir an den meisten Abenden auf der Heimfahrt ermöglicht hatten, Renwicks Bauwerk zu bewundern.
    Ebenso wie das Strecker Laboratory hatte auch dieses Gebäude, das seit fast einem Jahrhundert leer stand, kein Dach mehr. Shreve kannte sich in dem zerfallenen Gebäude offensichtlich gut aus. Ohne zu zögern, führte er mich durch das Labyrinth von Mauerresten, die einmal Patientenzimmer gewesen waren.
    Nan Rothschild hatte nicht übertrieben, als sie beschrieb, wie überstürzt die Stadt diese verwunschenen Grundstücke verlassen hatte. Alte Bettgestelle standen noch an ihrem Platz, primitive Krücken lagen auf den gesplitterten Dielen, und in zerbrochenen Glasvitrinen standen leere Flaschen auf den morschen Regalen.
    Wir hatten etwas durchquert, das, wie ich annahm, die

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