Das Totenhaus
als sie aufwachte. Sie wird über Nacht dabehalten und am Vormittag entlassen.«
Shreve hatte Recht. Im Gegensatz zu Kokain und Heroin, die noch nach Tagen Spuren im Blut hinterlassen, tut GHB das nicht. Und es ist innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach der Einnahme auch im Urin nicht mehr nachzuweisen. Niemand würde bei Sylvia auf die Idee kommen, danach zu suchen, sondern man würde den vorübergehenden Schwächeanfall wahrscheinlich auf eine Reaktion einer älteren Frau auf ihre letzte Mahlzeit zurückführen.
»Ich fahre mit der Drahtseilbahn hinüber, um mit der Polizei zu sprechen. Ich sollte in spätestens zwei Stunden wieder zurück sein.«
Das hieß, dass es nicht viel später als Mitternacht sein konnte. Die Bahn verkehrte bis zwei Uhr nachts, und er plante, zurückzukommen, bevor sie den Dienst einstellte.
Shreve versorgte mich nicht mit weiteren Einzelheiten darüber, wie er mich hierher gebracht hatte, aber ich konnte es mir allmählich zusammenreimen. Nachdem Sylvia und ich ohnmächtig geworden waren, muss er mit seinem Van quer durch die Stadt auf die Insel gefahren sein. Es musste schon dunkel gewesen sein, als er mich auf der verlassenen Südspitze der Insel im Strecker-Labor deponiert hatte, bevor er anschließend Sylvia ins Columbia Presbyterian Hospital brachte.
Dann hatte er wahrscheinlich vier oder fünf Stunden dort im Warteraum verbracht und sich immer wieder besorgt nach dem Gesundheitszustand seiner Kollegin erkundigt, damit ihn die Krankenschwestern und Ärzte auch wirklich bemerken würden. In der Zwischenzeit hatte zentimeterhoher Neuschnee die Reifenspuren zum Leichenhaus unsichtbar gemacht, und ich hatte das Gift, das mich betäubt hatte, ausgeschlafen.
Er musste sein Auto wieder in seine Garage gefahren haben, damit es trocken und warm war, falls die Polizei auf die Idee käme, es sich genauer anzusehen, und musste dann mit der Drahtseilbahn zurück auf die Insel gekommen sein. Er hatte offensichtlich nicht mit einem mitternächtlichen Pflichtbesuch auf dem Revier gerechnet.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Ms. Cooper. Ich komme zurück. Sie müssen nicht sterben. Falls ich das geplant hätte, wäre es schon passiert. Wie ich schon sagte, Sie können mir helfen.« Er band mich nicht los, aber er knebelte mich nicht noch mal. Vorhin hatte er nicht gewollt, dass ich schreie, während er telefonierte, aber jetzt gab es niemanden mehr, der mich hören konnte.
»Ich muss nur Ihre Kollegen beruhigen. Chapman hat diesen Wallace mit ins Spiel gebracht. Sie machen sich Sorgen, weil sie nichts von Ihnen gehört haben.«
»Ich kann Ihnen verraten, wie Sie Chapman beruhigen können, was mich angeht«, sagte ich leise. Shreve sah mich fragend an.
»Ich meine, damit Sie schneller wieder zurück sind, um mich freizulassen.« Ich glaubte nicht wirklich daran, dass er mich am Ende dieser Tortur freilassen würde, aber ich hoffte, meinen Freunden ein Zeichen zukommen lassen zu können.
»Was würden Sie vorschlagen, Ms. Cooper?«
Die alten Holzlatten knarzten, als ich mich in meinem Sitz bewegte. »Wir schauen uns fast jeden Abend Jeopardy! an.«
»Sie schauen sich was an?«
»Es ist eine Gameshow im Fernsehen. Kennen Sie sie?« Shreve sah aus wie jemand, der nur PBS kannte, und starrte mich mit leerem Blick an. Ich erklärte ihm, was es mit der letzten Frage auf sich hatte, und er lachte ungläubig.
Ich zerbrach mir den Kopf, um mir etwas einfallen zu lassen, was funktionieren würde. Ich erinnerte Shreve daran, dass Mike über Petra Bescheid gewusst und sich mit ihm darüber unterhalten hatte, als wir das erste Mal mit ihm gesprochen hatten. »Sie, äh ... Sie könnten ihm sagen, dass wir die Show zusammen angesehen haben, während wir im Krankenhaus auf den Befund von Sylvia warteten. Sie könnten ihm sagen, dass ich darauf bestand, die letzte Frage anzusehen.«
Er ließ sich die Idee durch den Kopf gehen.
»Sie können das über mich und Detective Chapman nur wissen, wenn Sie und ich heute Abend um halb acht Uhr zusammen gewesen sind. Wir haben uns einfach unterhalten, und ich habe Ihnen von den dummen Wetten erzählt, die wir abschließen.« Ich versuchte, mich nicht zu sehr so anzuhören, als ob ich ihn anflehte, was angesichts meiner Situation gar nicht so leicht war. »Das wird ihn überzeugen, dass es mir gut ging, während wir zusammen waren.«
Lieber Gott, lass ihn darauf eingehen.
Ich fuhr fort: »Ich denke mir etwas für Sie aus. Mike hatte heute offensichtlich zu viel
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