Das Totenhaus
in den Sternenhimmel und redeten über ihr Leben. Aber je mehr sie trank, desto aufgedrehter wurde sie. Sie stand auf und fing an, in dem alten Gemäuer herumzuklettern. Ich hatte Angst, dass sie stürzen und sich verletzen würde. Ich versuchte, sie zu bändigen, aber sie war wie in Trance und agierte, als ob sie Halluzinationen hätte. Da erst merkte ich, dass sie zusätzlich zum Alkohol noch Pillen genommen haben musste.«
»Haben Sie sie gefragt, was?«
»Natürlich hab ich das. Sie verhielt sich so irrational, dass es sich offensichtlich um etwas handeln musste, was sich nicht mit Alkohol vertrug. Ecstasy, sagte sie. Viel Ecstasy.«
Senkt die Hemmschwelle. Verbessert den Sex. Erzeugt eine Scheineuphorie. Macht einen Abend im Labor mit Winston Shreve zu einer psychedelischen Erfahrung.
Ich fragte leise: »Was ist passiert?«
»Sie hatte eine Art Anfall. Zuerst hatte sie eine Panikattacke. Ich versuchte, sie zu packen und zu überreden, ins Auto zu steigen, damit ich sie zu einem Arzt fahren könne. Aber sie schrie mich an und lief weg. Ich holte sie ein, aber sie hyperventilierte und war völlig durchgedreht. Ich hatte keine Ahnung, dass es eine Art Überdosis war, aber das muss es gewesen sein. Sie zuckte und zappelte und zitterte wie wild. Und dann brach sie in meinen Armen zusammen.«
»Haben Sie nicht versucht, sie in ein Krankenhaus zu bringen?«
»Charlotte war tot. Was hätte es gebracht? Sie hatte einen massiven Anfall.«
Im Laufe meiner Arbeit war ich solchen Fällen begegnet. Kids, die in Nightclubs und auf Rave Partys eine Überdosis einer Droge nahmen, die sie für harmlos hielten. Tot, noch bevor der Krankenwagen zur Stelle war. »Ich weiß, dass das passieren kann, Mr. Shreve. Warum haben Sie nicht die Polizei gerufen? Hilfe geholt?«
»Zu der Zeit verstand ich nicht, warum sie gestorben war. Mittlerweile habe ich viel darüber gelesen und weiß, dass diese Drogen tödlich sein können, aber in der Nacht, als Charlotte starb, hatte ich davon noch keine Ahnung. Ich glaube, ich hatte einfach Panik. Ich dachte, meine ganze Karriere wäre zerstört. Ich saß dort drüben an der Wand« - er deutete auf den Eingang - »und hielt Charlotte in den Armen, und ich wusste, dass alles, wofür ich mein ganzes Leben lang gearbeitet habe, zerstört worden war.«
»Also haben Sie sie einfach hier zurückgelassen?« Ich ließ meinen Blick über das verwitterte Grab des jungen Mädchens schweifen.
Shreve war über meinen kritischen Einwurf nicht erfreut. »Ich habe das nie geplant. Ich brauchte die Nacht, um nachzudenken. Ich musste mir überlegen, wie ich an einem Frühlingsmorgen mit diesem schönen Kind in meinen Armen in ein Krankenhaus gehen und sagen könnte, dass es ein schrecklicher Unfall gewesen war. Ich musste einen Weg finden, um Sylvia Foote und den Menschen am College, die an mich glaubten, ihren Tod zu erklären.«
Alles, worüber er sich Gedanken machte, war seine eigene missliche Lage.
»Das hier war schließlich ein Leichenhaus«, fuhr er fort. »Ich wickelte meine Decke um Charlotte, trug sie hier herein und legte sie über Nacht hier hin.« Ich füllte die Leerstellen auf: in ein rostiges Leichenfach in einem von Ratten bewohnten Gebäude und ließ sie die nächsten acht Monate liegen.
»Und Sie sind nie hierher zurückgekommen?«
»Ich dachte, ich würde bis zum nächsten Morgen einen Plan haben, dass ich wieder zurückkommen würde und - ich konnte es nicht; ich brachte es einfach nicht über mich, wieder hierher zu fahren und sie zu sehen. Ich wusste, dass gelegentlich Arbeiter hier in der Nähe waren, und ich dachte, dass man ihre Leiche schon bald finden würde. Ich wollte sogar, dass man sie findet. Aber es graut jeden vor diesem Teil der Insel. Ich hätte nie gedacht, dass es so lange dauern würde, bis sie hier herauskommen würde. Wenn man eine Obduktion durchführt, wird jeder wissen, dass sie nicht umgebracht wurde. Denken Sie nicht auch, dass man das noch immer feststellen kann, ich meine, die Toxikologie und wie sie gestorben ist? Es hat in New York schon andere Fälle in der Art gegeben, nicht wahr?«
»Andere Todesfälle in der Art, ja.« Aber andere Leichen, die von einem brillanten egozentrischen Professor der Verwesung preisgegeben worden waren? Das bezweifelte ich.
»Dieses Gebäude hier ist dafür vorgesehen, ein Materiallager für die neue U-Bahnlinie zu werden. Man wird es bald renovieren. Dann kann man Charlotte ein anständiges Begräbnis geben.«
Hatte er
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