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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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ihr Kind behalten wollte.« Er zögerte, bevor er sagte, was wir beide dachten. »Heutzutage könnte uns Ihre DNA-Technologie diese Frage wahrscheinlich beantworten. Aber damals gab's das ja noch nicht. Also gab Brandon Shreve der Kirche einfach das Doppelte des Geldes, das die Jennings-Familie angeboten hatte, um das Kind auf Nimmerwiedersehen loszuwerden, und beide Seiten waren glücklich. Shreve adoptierte meinen Vater und gab ihm natürlich einen anderen Namen.«
    »Aber der Junge erinnerte sich.«
    »Lebhaft. Er hat mir andauernd davon erzählt. Shreve war ein guter Vater, aber seine ersten sieben Lebensjahre als ein Jennings hatten ihm das Gefühl gegeben, dass er ein Geburtsrecht auf das Jennings-Erbe habe. Diese Diamanten standen ihm zu, Ms. Cooper. Und jetzt stehen sie mir zu. Ich lasse Sie jetzt für kurze Zeit allein. Falls es aufhört zu schneien, ist es keine schlechte Aussicht. Es ist die gleiche Aussicht, die mein Großvater von seinem Zimmer im Zuchthaus hatte - direkt übers Wasser zum River House. Ich werde die gendarmes von Ihnen grüßen.«
    Shreve fand mit Hilfe seiner winzigen Taschenlampe den Weg nach draußen, und ich war in meinem eiskalten Quartier wieder einmal von Dunkelheit umgeben. Draußen warf ein Flutlicht, das sich direkt unterhalb des Fensterrahmens befand, seinen Strahl hinauf zu den brillanten architektonischen Details des Gebäudes. Wenn ich den Lichtstrahl nur zehn Meter weiter nach unten biegen könnte, dann würde vielleicht jemand in der Ferne die schemenhafte Silhouette einer verzweifelten Frau sehen und mir zu Hilfe eilen.
    Es hatte keinen Sinn, von Rettung zu träumen. Ich zerrte an meinen Fesseln und bog mich nach hinten, um die Knoten an meinen Knöcheln zu lockern. Ich ermahnte mich, ruhig zu bleiben und eins nach dem anderen zu tun. Ich war viel zu mitgenommen und schwach, um alles auf einmal in Angriff zu nehmen.
    Es gelang mir nicht, mich zu befreien. Ich sank gegen die Rückenlehne des Stuhls und schloss die Augen. Denk nach, befahl ich mir. Tu irgendetwas, aber lass dich nicht von dieser lähmenden Kälte unterkriegen. Denk nach. Alles, woran ich denken konnte, war, dass uns Winston Shreve gleich hätte verdächtig sein müssen.
    Allein ein Blick auf seinen Lebenslauf hätte Mike und mir sagen müssen, dass das Blackwell's-Projekt nicht seinen sonstigen beruflichen Interessen entsprach. Dieser Mann hatte sich in seiner wissenschaftlichen Laufbahn auf klassische historische Orte und Ausgrabungsstätten antiker Zivilisationen wie Petra und Lutetia konzentriert. Dieser kleine Streifen Land war zu modern und kulturgeschichtlich zu unwichtig, um für ihn von Interesse zu sein.
    Und hatte ihm nicht Lola Dakota von den Diamanten erzählt? Sie wusste, dass er ein Nachfahre von Freeland Jennings war. Sie musste es gewusst haben. In jener Nacht vor so vielen Jahren, als Lola ihn hier auf die Insel mitgenommen hatte und sie sich im Schein des Feuerwerks geliebt hatten, hatten sie auch auf das legendäre Wohnhaus hinübergeblickt. Was hatte er Mike und mir erzählt, als er uns die romantische Szene beschrieb, die ihnen die gleiche Aussicht bot, wie sie sein Großvater von seiner Gefängniszelle aus hatte? »Wo mein Vater wohnte, bevor ich auf die Welt kam.«
    Meine Wut auf mich selbst machte mich nur noch müder. Ich fragte mich, ob Mike sich daran erinnern würde, wie Shreve reagiert hatte, als wir sagten, dass uns jemand die Insel zeigen würde. Wie er darauf bestanden hatte, dass er derjenige sein wolle, der uns herumführen werde. Welch bessere Kontrolle konnte ein Mörder haben? Ich konnte mir genau vorstellen, wie er sich verhalten hätte. Er hätte uns bis direkt ans Krankenhaus und ans Labor gefahren und uns vor dem herabfallenden Granit und den Scherben gewarnt. Zu unserer eigenen Sicherheit. Und die ganze Zeit hätte er gewusst, dass Charlotte Voights Leiche direkt vor unserer Nase lag.
    Wahrscheinlich hatte Winston Shreve Paolo Recantatis Frau angerufen und vorgegeben, Professor Grenier zu sein. Shreve war schlau genug, um zu wissen, dass Recantati zutiefst verunsichert war, was den immer größer werdenden Skandal am College anging. Er konnte leicht dazu gebracht werden, einen Umschlag aus Dakotas Büro zu holen - vor allem, wenn eine so harmlose Aktion dafür sorgen würde, dass sich alle Schwierigkeiten in Luft auflösten. Und da Mrs. Recantati keinen der beiden kannte, würde sie Shreves und Greniers Stimme nicht unterscheiden können.
    In der ersten Stunde,

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