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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Fotos der primitiven Nebengebäude an.
    »Alle diese Flügel sind weg. Heute ist nur noch die Ruine des Octagon-Turms übrig. Es ist eine beeindruckende Rotunde, im neuklassizistischen Stil gebaut, mit einer elegant geschwungenen Treppe mit Säulen und Sockeln.« Sie zeigte mir Aufnahmen vom Inneren, die aussahen, als ob jemand fünf Wendeltreppenabsätze mit gusseisernen Stufen von unten fotografiert hätte. »Man hielt sie einst für die eleganteste Treppe in ganz New York. Heutzutage führt dieses kaputte Gerüst geradewegs in den freien Himmel. Völlig heruntergekommen und verwahrlost.«
    »Damals ging man wohl nach der Theorie vor, die Insassen wie Tiere zu behandeln, es aber mit Charme zu tun.«
    »Ganz genau. Es gab Gemüsegärten und Weiden und einen Schlittschuhteich, sodass es von außen betrachtet wie eine Oase der Ruhe und der Fürsorge aussah. Aber innerhalb der Mauern war es wahrhaftig ein Tollhaus.«
    »Was interessiert dich daran? Warum die Ausgrabungen?«
    »Hier gibt es alles, was man sich als Stadtarchäologin nur wünschen kann. Es gibt heute nicht mehr viele Stellen in Manhattan, an denen man graben kann, so gern ich das auch täte. Wir haben hier eine sehr begrenzte Örtlichkeit, deren Geschichte wir relativ gut kennen. Wir haben Belege über eine frühe indianische Siedlung, noch vor der Ankunft der ersten Kolonisten in Amerika. Wir finden bereits deren Artefakte - Werkzeuge, Töpferwaren, Waffen. Dann kam die Ackerbaugemeinde, die dort ein Jahrhundert lang existierte. Und dann natürlich die Anstalten, deren Geschichte den Großteil des neunzehnten Jahrhunderts andauerte. Denkt daran, viele der Patienten, die nicht von hier waren, nahmen ihr gesamtes Hab und Gut mit hinüber. Sie bekamen ihr Essen auf Porzellangeschirr serviert, nicht in Blechnäpfen, wie ihre Nachbarn im Armenhaus. Als die Gebäude geräumt wurden, ließ man das meiste einfach stehen und liegen, und es ist noch immer dort vergraben. Dutzende von Honoratioren besuchten die Insel, um sich dieses innovative wohlfahrtsstaatliche Arrangement anzusehen, und einige davon, darunter de Tocqueville, schrieben ausführlich darüber. Ihr müsst wirklich einmal rüberkommen, um euch anzusehen, wie wir arbeiten und was wir gefunden haben. Momentan, bei diesem kalten Wetter, passiert nicht viel, aber ich kann eine der Studentinnen bitten, euch den Octagon zu zeigen. Die ganze Insel, wenn ihr wollt.«
    »Wir werden auf dein Angebot zurückkommen. Aber wir würden auch gerne mit dir über Lola Dakota sprechen, Nan.«
    »Ich erzähle euch das wenige, das ich weiß.« Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und forderte uns durch einen Wink auf, gegenüber von ihr Platz zu nehmen. »Ich habe Lola natürlich kennen gelernt, als sie noch an der Columbia unterrichtete. Als Person war sie eher unberechenbar, aber sie war eine talentierte Wissenschaftlerin.«
    »Hast du auch privat mit ihr zu tun gehabt?«
    »Nicht viel. Howard traute Ivan nie so recht über den Weg, und dabei wusste er nicht einmal über ihre Eheprobleme Bescheid. Ivan schien immer alle herumzukommandieren, war immer auf der Suche nach dem schnellen Erfolg. Wir waren hin und wieder zu den gleichen Abendgesellschaften eingeladen, aber zu viert haben wir nie Zeit miteinander verbracht.«
    Nans Ton hatte sich jetzt, da sie über Lola sprach, geändert. Sie schien nicht mehr so offen wie zuvor, als sie uns von der Geschichte New Yorks erzählt hatte.
    »Warst du zur Beerdigung hier?«
    »Nein. Ich bin am Freitagabend nach London geflogen. Das war der Tag, an dem sie umgebracht wurde, nicht wahr? Ich habe erst durch einen Anruf von Howard von ihrem Tod erfahren.« Sie spielte mit den Büroklammern in der obersten Schublade ihres Schreibtischs.
    »Wir haben bisher nur mit einer ihrer Schwestern und einigen Studenten gesprochen. Wie war sie als Kollegin?«
    »Nun, sie hatte einen ganz anderen Stil als ich, viel knalliger. Ich würde sagen, dass wir nicht sehr viel gemeinsam hatten.« Nan war eine brillante, landesweit bekannte und anerkannte Wissenschaftlerin und ebenso bescheiden wie gut. »Aber ich hatte kein Problem, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie hat sich mir nie anvertraut, falls du das meinst. Ich glaube, ich hatte sie über ein Jahr lang nicht gesehen, nachdem sie ans King's College gewechselt war. Wir hatten erst wieder durch das Blackwell's-Island-Projekt Kontakt miteinander.«
    »Wie kam es zu dem Projekt?«, fragte Mike.
    Nan blickte an die Decke und lachte. »Einige Jahre

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