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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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eines Abends alle beisammen und sprachen über die Ausgrabungen - ich glaube, wir waren hier unten bei mir im Esszimmer und tranken uns durch eine Kiste ziemlich guten Weins -, als ich den Ausdruck zum ersten Mal von Lola hörte.«
    »War es ein realer Ort auf der Insel?«
    »Auf keiner Karte eingezeichnet, die mir jemals untergekommen ist. Stellt es euch vor, pflegte Lola zu sagen. Da war man also, vom Fieber geschüttelt und übersät mit eitrigen Pusteln, während die Epidemien in den überfüllten Wohnhäusern wüteten. Die Pocken werden sowohl durch direkten Kontakt als auch durch die Luft übertragen, wie ihr wahrscheinlich wisst. Die Gesundheitsbeamten trennten die Kranken und Infizierten - egal ob reich oder arm - von den Gesunden.«
    Bei der Vorstellung von einer von der Pest heimgesuchten Stadt lief es mir eiskalt über den Rücken.
    »Dann beschrieb Lola das Tohuwabohu an den Piers am East River, als die Ausgesonderten auf Boote verladen wurden, die sie in die Klinik hinüberbringen sollten. Die meisten wussten, dass es für die Kranken unter ihnen ein Todesurteil war. Einige versuchten, den Beamten an den Docks zu entkommen. Ab und an wagte es einer, ins Wasser zu springen und der starken Strömung des East River zu trotzen, anstatt sich in die Hölle übersetzen zu lassen. Die vormals ruhige und friedliche Farminsel war ein Areal der Toten und Todgeweihten geworden. Wenn sich die Boote der Insel näherten, sahen die Unberührbaren als Erstes die Holzsärge, die sich am Ufer für den Rücktransport stapelten. Wenn man zu Blackwell's Island hinüberfuhr, standen die Chancen gut, dass man, wie Lola sagte, ins Totenhaus fuhr.«
    Wir schwiegen, bis Mike sagte: »Also betreute Dakota den vierten Bereich des Projekts - Regierung, Politik.«
    »Genau.«
    »Irgendwelche besonderen Interessen, wie einige andere von euch?«
    »Ich würde sagen, dass Lola sich vor allem mit dem Gefängnis und dem Irrenhaus beschäftigte. Krankheiten und die Zustände in den Hospitalen stießen sie ab, sagte sie. Aber in der Irrenanstalt und im Zuchthaus gingen viele berühmte Leute ein und aus, und sie liebte deren Geschichten. Ich habe niemals jemanden so intensiv über diese Orte forschen sehen, wie sie es getan hat. Lola las alle Bücher, sie verschlang Briefe und Tagebücher aus der Zeit und machte sogar einige Leute ausfindig, die in den zwanziger und dreißiger Jahren auf der Insel gelebt und gearbeitet hatten und die noch am Leben waren.«
    »Hast du deren Namen?«
    »Nein, aber ich bin mir sicher, dass jemand in ihrer Abteilung eine Liste davon gemacht hat. Ich bin zu sehr unter der Erde beschäftigt, um mit Leuten zu reden. Das überließen wir Lola. Solange die Insel darin erwähnt wurde, war es ihr egal, ob es das Notizbuch einer Krankenschwester oder die Autobiografie von Mae West war.«
    »Ich hab sie damit mal im Unterricht erlebt. Ich dachte, dass West in Manhattan, in den Tombs, eingesperrt gewesen war.«
    »Eine Nacht lang. Danach verbüßte sie eine zehntägige Strafe in dem Arbeitshaus auf der Insel. Mae hatte es für eine Gefangene ziemlich nett. Der Gefängnisdirektor gab ihr Recht, dass die Häftlingsunterwäsche zu rau sei für ihre zarte Haut und ließ sie ihre eigenen seidenen Unterkleider und weißen Strümpfe tragen. Er hat sie sogar am Abend auf seinen Ausritten mitgenommen. Lola kannte alle ihre Geschichten. Boss Tweed, Dutch Schultz, viele korrupte New Yorker landeten dort.«
    »Verdammt, ich gäb was drum, einige dieser Geschichten zu hören«, sagte Mike.
    »Sprechen Sie mit Professor Lockhart vom Institut für Geschichte. Oder mit Paolo Recantati. Die Historiker haben solche Vorgänge rekonstruiert. Ich kann meine eigenen Schauermärchen von der Irrenanstalt erzählen.«
    »Was für ein Typ ist Recantati?«, fragte ich.
    »Er kam erst dieses Semester ans King's. Ruhig, sehr reserviert. Ebenfalls Historiker, also versuchte Lola, ihn für unsere Kabale einzuspannen und seine Unterstützung zu bekommen, damit wir weiter finanziert wurden. Unser Ziel war es nicht nur, die Ausgrabungen zu beenden, sondern auch, das nötige Geld aufzutreiben, um diese einzigartigen Gebäude zu restaurieren. Sie brachte Recantati zu einigen unserer Treffen mit, damit er sich anhören konnte, was wir im Schilde führten. Ich habe mich einige Male mit ihm darüber unterhalten, und er schien sehr interessiert zu sein.«
    »Waren du und Lola die einzigen Frauen, die dort an vorderster Stelle mitmischten?«
    Nan zögerte einen

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