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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Wunschdenken von meiner Seite. Schwer zu sagen, wer von uns die Idee als Erstes vorbrachte. Mal überlegen. Winston Shreve half bei der Organisation des Plans. Er leitet das Kulturwissenschaftliche Institut am King's College.«
    »Kennst du ihn schon lange?«
    »Seit fünfzehn Jahren. Sehr beeindruckende Referenzen, was auch der Grund ist, warum sie ihn angeheuert haben. Er hat alle seine Studienabschlüsse an Ivy-League-Universitäten gemacht, wenn ich mich recht erinnere. Danach war er einige Zeit an der Sorbonne und bei den Ausgrabungen von Petra mit dabei. Er wollte schon genauso lange wie ich etwas auf der Insel machen. Er ist wie ich einer der New Yorker in unserem Beruf, die schon immer mal gern im heimischen Dreck wühlen wollten, aber stattdessen hilflos zusehen, wie jeder Quadratzentimeter historischen Bodens, den wir so gerne hätten, mit Wohnungen und Bürohochhäusern zugebaut wird. Ja, Winston und ich haben, seit wir uns kennen, immer wieder darüber geredet, auf der Insel zu graben.«
    »Und die anderen?«
    »Es sind vier Abteilungen an dem Programm beteiligt Multidisziplinär, wie man das heutzutage gern nennt. Etwas für jeden. Wir scheinen jeder einen bestimmten Ort auf der Insel zu haben, der uns aus unterschiedlichen Gründen fasziniert. Winston und ich leiten die Archäologieseminare Mein Lieblingsort ist die Nordspitze vom Leuchtturm bis zu den Überresten des Octagon-Turms. Skip Lockhart leitet das Segment amerikanische Geschichte. Ihm geht es vor allem um die Leute, die mal dort lebten, ihre Geschichten und was aus ihnen geworden ist. Thomas Grenier ist für die Biologiestudenten verantwortlich.«
    Diesen Namen hörten wir zum ersten Mal. »Wer ist Grenier?«, fragte Mike.
    »King's College. Er leitet dort das Institut für Biologie. Er kommt von der UCLA, wenn ich mich nicht irre. Ich habe ihn seit Wochen nicht gesehen, aber ich glaube, das kommt daher, weil er dieses Semester ein Freisemester hat. Es kann sein, dass er gar nicht in der Stadt ist.« Mike notierte sich den Namen auf seinem Notizblock.
    »Warum Biologie?«, fragte ich.
    »Der naturwissenschaftliche Aspekt ist genauso wichtig wie die Grabungen, die wir machen. Vielleicht sogar wichtiger. Um 1870 herum gab es fast ein Dutzend medizinische Einrichtungen auf der Insel.
    Jeder >unheilbare< Patient in der Stadt wurde in ein Krankenhaus auf Blackwell's geschickt. Es gab eine Klinik für Scharlachkranke, eine für Epileptiker, wieder andere für Krüppel, Cholera- und Typhuskranke. Es gab ein Tuberkulosesanatorium und ein eigenes Gebäude für Aussätzige. Dort war sogar das erste Pathologielabor des Landes. Und dann kam deine Ruine, Alex. 1856, um genau zu sein. Die Menschheit wurde das ganze neunzehnte Jahrhundert hindurch immer wieder von Pockenepidemien heimgesucht.«
    »Was ist mit Jenner? Ich dachte, damals gab es bereits einen Impfstoff gegen Pocken.«
    »Ja, der Impfstoff wurde in Amerika verwendet, aber der ständige Zustrom von armen Einwanderern, die sich in ihren Heimatländern infiziert hatten, brachte die Krankheit aus allen Ecken der Welt hierher. Weil sie so überaus ansteckend war, hat man in New York City die Patienten in Quarantäne gesteckt. Man hatte sie ursprünglich in Holzhütten entlang der beiden Flussufer von Manhattan untergebracht, bis man es für noch sicherer hielt, sie auf die Insel der Ungewollten abzuschieben.«
    »Blackwell's.«
    Sie nickte. »Renwick baute ein beeindruckendes Heim für diese Ausgestoßenen. Die Pockenklinik. Nachts ist es dramatisch beleuchtet, mit den Spitzbogenfenstern und der mit Zinnen versehenen Dachkante. Ein großes, graues Denkmal der Krankheit. Kein Wunder, dass die Biologen den Ort studieren wollen.«
    Nan ging an die riesige Karte und fuhr mit dem Finger das schmale Flussstück hinauf, das Manhattan von den schrecklichen Institutionen des alten Blackwell's Island trennte. »Wie gut seid ihr in griechischer Mythologie?«, fragte sie. »Für Lola war das hier der Styx. Seelen, die aus dem Reich der Lebenden übersetzten in die Hölle, ins Totenhaus, wie sie es nannte.«
     
    13
     
    »Was war das Totenhaus?«
    »Einfach Lolas Name für Blackwell's Island, glaube ich. Es ist ein Ausdruck aus dem neunzehnten Jahrhundert und bezeichnete einen Ort für Leichen.«
    »Hat sie es so gemeint?«
    »Ich weiß, dass du sie kennst, Alex. Sie hatte diesen ungeheuren Hang zum Theatralischen. Was sie im Unterricht ausgezeichnet einsetzte, wenn die Materie zu langweilig wurde. Wir saßen

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