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Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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herrlich romantisch aus.«
    »Sie hat eine wunderbar romantische Aura, da stimme ich dir völlig zu. Sie ist ein bisschen wie die Ile de la Cite mitten in Paris. Ein schmales Fleckchen Erde in einem Fluss mitten in einer großartigen Stadt. Und ein ruhiger, kleinstädtischer Rhythmus, der dir das Gefühl gibt, auf einem Privatanwesen zu sein, nicht in einer Großstadt. In der Mitte der Insel ist es sogar noch beeindruckender. Von dort hast du eine großartige Sicht auf die Skyline von Manhattan und auf der anderen Seite auf die Industrieanlagen von Queens entlang des Flusses - Fabriken, Schlote und Frachtkähne. Ich erzähle euch am besten, worum es bei dem Projekt geht und was Lola Dakota damit zu tun hatte.«
    Nan nahm Mike das Lineal aus der Hand und begann mit ihrer Beschreibung der Insel. »Die Insel ist etwa drei Kilometer lang und nur zweihundertfünfzig Meter breit. Seht ihr? Sie verläuft parallel zu Manhattan von der Eighty-fifth Street bis hinunter zur Forty-eighth Street. Die Südspitze liegt direkt gegenüber von den Vereinten Nationen. Großartige Aussicht. Heute gibt es dort einige Wohnhochhäuser, Parks, zwei Krankenhäuser für chronisch Kranke, eine Drahtseilbahn, die sie mit Manhattan verbindet, und eine Fußgängerbrücke hinüber nach Queens. Aber was einige von uns am meisten fasziniert, sind die Skelette.«
    »Skelette?«, fragte Chapman.
    »Keine menschlichen. Die Überreste der ungewöhnlichen Gebäude, die vor hundert Jahren - das heißt, vor fast zweihundert Jahren - die Insel beherrschten. Als New York zu einer Metropole anwuchs, hatte es all die sozialen Probleme und Missstände, die wir heutzutage mit Amerikas Großstädten assoziieren - Kriminalität, Armut, Krankheiten, Geisteskrankheiten. Um achtzehnhundert herum hatten die Stadtväter die Idee, geschlossene Anstalten einzurichten, um die Verursacher der Probleme wegzusperren. Im Bellevue wurden Patienten mit ansteckendem Gelbfieber oder Syphilis untergebracht, und das Newgate-Gefängnis, in Greenwich Village, beherbergte Sittlichkeitsverbrecher und Straßenräuber.«
    »So mag ich's.« Chapman war fasziniert.
    »Und wusstet ihr, dass an der Ecke 116th und Broadway ursprünglich die Bloomingdale-Irrenanstalt gestanden hat?«
    »Eine Klapsmühle, genau dort, wo heute die Columbia steht?«, fragte Mike. »Warum überrascht mich das nicht?«
    »Dann kam den Stadtplanern der Gedanke, dass sie nicht von den wertvollen Immobilien Manhattans Gebrauch machen mussten, um ihre Unberührbaren auszusondern. Es gab eine Anzahl kleiner Inseln, auf die man die Verbrecher und Verrückten der stetig wachsenden Stadt schicken konnte. Also sah man sich auf dem Fluss nach Grundstücken um, die man erwerben konnte - Wards und Randalls Islands, North und South Brother Islands, Rikers und Hart Islands« - ihr Lineal glitt über die Karte - »und die allererste, die die Stadt im Jahr 1828 kaufte, war Blackwell's. Die idyllische Familienfarminsel wurde umgehend in ein Dorf der Anstalten verwandelt. Enorme Bauten, abschreckend und sicher. Ein Zuchthaus, ein Armenhaus, ein Hospital -«
    »Dieses wunderbare gotische Gebäude, das man von Manhattan aus sehen kann? Das wie ein Schloss aussieht?«
    »Nein, Alex, das kam ein bisschen später, für einen anderen Zweck. Und dann ist da natürlich noch mein Liebling: der Octagon - die Irrenanstalt, die man gebaut hatte, um Bloomingdale's zu ersetzen.«
    Nan ging an ihren Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte einen großformatigen Notizblock mit sepiafarbenen Vergrößerungen alter Fotografien heraus. »Es sollte die größte Irrenanstalt des Landes werden. Ihre Abteilungen erstreckten sich in alle Himmelsrichtungen - eine für die gewalttätigsten Patienten, eine für Frauen, eine für Ausländer.«
    »War nicht jeder Ausländer?«, fragte Mike.
    »Ich glaube, Detective, dass es immer so ist, dass manche Menschen fremder scheinen als andere. Wusstet ihr, dass unsere gütigen Vorfahren alle Einwanderer, die sie allein auf der Straße antrafen und die auf Grund mangelhafter Sprachkenntnisse nicht in der Lage waren zu kommunizieren, einfach in die Irrenanstalt steckten, bis jemand verstand, was sie sagten? Die andere abschreckende Sache war, dass es nur sehr wenige Ärzte und Krankenschwestern gab. Die Patienten wurden von den Gefangenen aus den Strafanstalten versorgt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was da an Missbrauch stattgefunden hat.«
    »Steht die Irrenanstalt noch?«, fragte ich und schaute mir die

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