Das Totenhaus
Augenblick. »Ja, das waren wir.«
»Weißt du irgendetwas über Lolas Privatleben? Hatte sie etwas mit einem der anderen Professoren?«
»Ich wäre wahrscheinlich die Letzte, die davon wissen würde. Die Studenten schienen sich immer mehr für diese Sachen zu interessieren als ich.«
Ich zeigte Nan ein Bild von Charlotte Voight, eine Kopie des Fotos an Lolas Pinnwand, die mir Sylvia Foote heute gegeben hatte. »Kanntest du dieses Mädchen, eine von Lolas Studentinnen? Hast du sie jemals auf der Insel gesehen?«
Nan betrachtete das Foto und gab es mir zurück. »Da kann ich dir nicht weiterhelfen. Ich beaufsichtige die Kids von Barnard und Columbia. Wenn sie aufs King's College ging, dann hätte sie mit den anderen Gruppen, von denen wir gesprochen haben, zu tun gehabt.«
»Es ist merkwürdig, warum Dakota sich genug aus dieser Studentin gemacht hat, um ihr Foto bei sich im Büro aufzuhängen. Zusammen mit Bildern von Franklin Roosevelt -«
»Die Roosevelt-Sache kann ich beantworten«, unterbrach Nan. »FDR war einer von Lolas Helden, und Blackwell's wurde 1973 nach ihm umbenannt.«
»Charles Dickens?«
»Keine Ahnung.«
»Nellie Bly?«
»Sie ist eine meiner Insassen. Dank deiner Behörde, Alex.«
»Wie das?«
»Staatsanwalt Henry D. Macdona, 1887. Nellie Bly war eine junge Reporterin für die World, Joseph Pulitzers Skandalblatt. Irgendein Redakteur hatte die Idee, die schrecklichen Zustände im Irrenhaus von Blackwell's zu enthüllen, und Nellie Bly meldete sich freiwillig für den Job. Undercover, würdet ihr wohl sagen. Sie fragte den Staatsanwalt um Rat und nahm ihm das Versprechen ab, eine Grand-Jury-Untersuchung in die Wege zu leiten, falls sie irgendwelche Missstände entdeckte. Also quartierte sich Bly in einer Frauenpension ein und gab vor, eine kubanische Einwanderin namens Nellie Moreno zu sein. Nach einigen Tagen tat sie so, als ob sie verrückt sei, und plapperte in einer unverständlichen Sprache, sodass man sie zuerst aufs Polizeirevier und dann vor Gericht brachte. Als Erstes kam sie nach Bellevue, wo die Ärzte eine Vergiftung mit Belladonna, dem tödlichen Nachtschattengewächs, von dem in so vielen Krimis aus dem neunzehnten Jahrhundert die Rede ist, ausschlossen und sie tatsächlich für verrückt erklärten. Weiter nach Blackwell's.«
»Sie wurde in die Irrenanstalt eingewiesen?«
»Sie verbrachte zehn Tage dort und dokumentierte alles - von der vor Schmutz starrenden Fähre, die sie hinüberbrachte, und den boshaften Gefängniswärtern aus dem Zuchthaus, die ihre Patienten würgten und schlugen, bis zu den Bädern, die darin bestanden, dass man ihr einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf goss. Sie beschrieb die absolut normalen Frauen, die einfach nur dorthin geschickt worden waren, weil man ihre Sprache nicht verstand. >Aus dem Tollhaus< machte sich als Reportage in der World ziemlich gut und dann ermittelte die Staatsanwaltschaft in dieser Sache.«
»Wurde die Irrenanstalt daraufhin geschlossen?«
»Dieser Skandal hat sicher zu der Schließung beigetragen Man hat um die Jahrhundertwende alle Geisteskranken von der Insel weggebracht. Mein Gebäude wurde das erste Metropolitan Hospital.«
»Wie das Krankenhaus an der Upper East Side?«
»Ganz genau.«
Mike hatte Blys Namen in seiner Liste auf dem Notizblock abgehakt. »Was Lola angeht - wissen Sie, warum sie jemand eine Schatzsucherin oder Goldgräberin nennen würde?«
»Das sind wir, die wir an diesem Projekt beteiligt sind, natürlich alle.« Nan lächelte. »Jeder von uns ist auf der Suche nach seinem Schatz. Für mich wäre ein Schatz etwas so Simples wie eine Steinaxt oder eine Porzellantasse, eine Kohlenkiste oder ein Ochsenjoch. Einer meiner Praktikanten fand im Herbst tatsächlich eine Hand voll Perlen.«
»Perlen?«
»Damals konnten Männer ihre unfolgsamen Ehefrauen zur Strafe für kurze Zeit ins Irrenhaus einweisen lassen.«
Chapman zwinkerte mir zu und nickte zustimmend.
»Einige der wohlhabenderen Frauen nähten Juwelen in ihre Rocksäume und hofften, sich damit das Wohlwollen der Wärter erkaufen zu können. Oder vielleicht auch ihn Flucht. Ich habe einen Studenten, Efrem Zavislan, der davon träumt, auf Captain Kidds vergrabenes Gold zu stoßen. Niemand hat jemals den Millionenschatz gefunden, den der Pirat vor seiner Festnahme von Madagaskar nach New York gebracht hatte. Redet mit Efrem; er hat viel Zeit mit Lola verbracht. Sie hat sich bestimmt nicht für meine Beute interessiert. Ich bin der Meinung,
Weitere Kostenlose Bücher