Das Totenhaus
dass es keinen Schatz zu finden gibt, da bereits all diese Gefangenen jahrelang gegraben und keinen gefunden hatten.«
»Wo gruben die Gefangenen?«
»Auf jedem Zentimeter. Das Grundgestein der Insel ist Gneis. Fordham-Gneis. Und es gibt auch viel Granit. Von der Eröffnung des Zuchthauses im Jahr 1835 bis zu seiner Schließung hundert Jahre später zwang man die gesünderen Gefangenen zu Schwerstarbeit. Das gesamte Gestein für all die vielen Bauwerke wurde auf der Insel selbst zu Tage gefördert. Es musste kein einziger Stein von außerhalb herangeschafft werden. Mit dem Granit baute man um die ganze Insel herum eine Mauer. Und der Gneis wurde für die Außenmauern der berüchtigten Institutionen auf Blackwell's verwendet. Falls es irgendwelche Schätze zu finden gegeben hatte, dann hätte sie irgendein Schurke schon lange vor uns ausgegraben.«
»Das hilft uns fürs Erste sehr viel, Nan. Wir hoffen, dass wir morgen mit ein paar der anderen Professoren sprechen können. Jetzt haben wir immerhin eine Vorstellung davon, was euch alle daran so fasziniert hat.«
Nan begleitete uns hinunter zur Eingangstür, holte meinen Mantel und meine Handschuhe und entließ uns in die kalte Nachtluft.
Wir fuhren die kurze Strecke die Second Avenue hinunter, und Mike legte seine laminierte Polizeiparkerlaubnis auf das Armaturenbrett, während er das Auto illegal vor einer Bushaltestelle nahe der Ecke zur Sixtyfourth Street parkte. »Komm schon, Coop. Keine Politesse wird bei diesem Wetter unterwegs sein und meinem Wrack einen Strafzettel verpassen.«
Wir schlängelten uns durch den spätabendlichen Weihnachtseinkaufsverkehr, der die Kreuzung blockierte, und drängelten uns im Primola durch die Menschenmengen an der Bar, in der Hoffnung, dass Giuliano meine Reservierung für halb neun nicht schon anderweitig vergeben hatte.
»Buona sera, Signorina Cooper. Ihr Tisch ist in einer Minute fertig. Nehmen Sie doch inzwischen einen Drink auf Kosten des Hauses. Fenton«, rief er dem Barkeeper zu »einen Dewar's on the rocks und einen Ketel One, subito.«
Die Leute standen in Fünferreihen in meinem Lieblingsrestaurant und warteten darauf, einen Platz zu bekommen Die meisten hatten Drinks in der einen und Einkaufstüten in der anderen Hand, was das Gedränge noch schlimmer machte. Es war zu laut, als dass man sich über einen Mord hätte unterhalten können, also entspannten wir uns mit unseren Cocktails, bis der maitre de, Adolfo, uns an einen Ecktisch im vorderen Teil des Raumes führte.
Ich hörte den Zwitscherton meines Handys erst, als ich mich gesetzt und meine Tasche über die Lehne gehängt hatte.
»Alex, können Sie mich hören? Hier ist Bob Thaler.« Für den Chefserologen begann der Arbeitstag im Labor normalerweise um sechs Uhr früh. Dass er um neun Uhr abends noch immer arbeitete, hieß, dass er alle Register gezogen hatte, um die Tests in dem Dakota-Fall durchzuführen. »Ist es gerade eine schlechte Zeit?«
»Nie. Irgendwelche Ergebnisse?« Die DNA-Tests, die vor zehn Jahren, als ich dem FBI das erste Mal Proben vorgelegt hatte, bis zu sechs Monate gedauert hatten, kamen jetzt in weniger als zweiundsiebzig Stunden aus der gerichtsmedizinischen Abteilung zurück.
»Dr. Braun und ich haben das ganze Wochenende an Ihrem Beweismaterial gearbeitet. Ich habe einige vorläufige Antworten, mit denen Sie vielleicht fürs Erste was anfangen können. Alles, was ich von Ihnen brauche, sind einige Vergleichsproben von Verdächtigen, sobald Sie sie identifiziert haben.«
»Das ist Chapmans Aufgabe. Er arbeitet daran.«
»Dakotas Vaginalabstrich war negativ, was das Vorhandensein von Sperma angeht. Aber wir fanden Spermaflüssigkeit auf den Leintüchern, die uns die Polizisten reingeschickt haben, von einer Bettcouch, steht auf dem Asservatenbeutel. Ich habe ein Profil davon für Sie erstellt. Der Kaugummibatzen, den Chapman aus dem Abfalleimer in dem Büro der Toten gefischt hat? Dr. Braun hat sich darum gekümmert. Auch er hat eine DNA-Probe davon bekommen. Ich dachte mir, Sie würden es so schnell wie möglich wissen wollen, dass sie übereinstimmen. Wer immer in Dakotas Bett schlief, ist die gleiche Person, die in ihrem Büro war. Hilft Ihnen das weiter?«
14
»Macht dort draußen jemand Kaugummiblasen?«, fragte ich Mike an Stelle einer Begrüßung, als ich am Dienstagmorgen um halb neun sein Büro im Morddezernat Manhattan Nord betrat. Ich war die Treppe hinaufgegangen und nahe der Sonderkommission für
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