Das Totenschiff
ist auf dem Seemannsamt.
»Seefahrtsbuch? Können wir nicht ausstellen. Sie haben ja keine Staatsangehörigkeit. Und die Staatsangehörigkeit, die Heimatsberechtigung ist für das Seefahrtsbuch die Hauptsache, der übrigen Sachen wegen kann man auch mit der Invalidenkarte auskommen.«
»Wie soll ich denn da ein Schiff kriegen? Sagen Sie mir das bloß.« Stanislaw war zu Ende mit seiner Weisheit.
»Sie haben ja einen Paß, da kriegen Sie jedes Schiff. Es geht ja aus dem Paß hervor, wer Sie sind, was Sie sind und daß Sie hier in Hamburg wohnen. Sie sind doch ein alter befahrener Mann, Sie kriegen spielend ein Schiff. Kriegen jeden Ausländer, verdienen Sie mehr als auf deutschen Schiffen bei diesem Tiefstand der Mark.«
Stanislaw bekam ein Schiff. Einen schönen Holländer. Gute Heuer. Als der Heuerbas den Paß sah, sagte er: »Feine Sache«, und als der Skipper den Paß sah, sagte er: »Gute Papiere, das habe ich gern; wir wollen jetzt zum Konsul gehen, anmustern und registrieren, Akten verlesen.«
Der Konsul registrierte und trug den Namen Stanislaw Koslowski ein.
Dann sagte er: »Seemannsbuch?«
Und Stanislaw antwortete: »Paß.«
»Ebensogut«, erwiderte der Konsul.
»Paß ist ganz neu, hier vom Präsidium, zwei Tage alt. Alles in Ordnung. Der Mann ist gut.« Das sagte der Skipper und zündete sich eine Zigarre an.
Der Konsul nahm den Paß, blätterte darin herum, nickte wohlgefällig, weil es ein Meisterwerk gutgeölter Bürokratie war. Solche Dinge behagten dem Konsul.
Plötzlich hielt er inne und erstarrte zu einer Eiskruste.
»Können nicht mustern«, sagte er.
»Was?« rief Stanislaw.
Und »Was?« rief der Skipper und ließ vor Erstaunen die Zündholzschachtel auf den Boden fallen.
»Mustere ich nicht an«, sagte der Konsul.
»Warum denn nicht? Ich kenne ja den Beamten vom Präsidium, der die Unterschrift gegeben hat, persönlich.«
Der Kapitän wurde ungeduldig. »Der Paß ist durchaus einwandfrei. Aber ich kann nicht mustern. Er hat ja keine Staatsangehörigkeit«, ereiferte sich der Konsul.
»Das ist mir ganz wurscht«, sagte darauf der Skipper. »Ich will den Mann haben, mein Erster kennt ihn, und die Schiffe, auf denen der Mann gefahren hat, sind Topp. Solche Leute, wie den hier, will ich um mich haben.«
Der Konsul hatte das Paßbüchlein zugeklappt und patschte sich damit auf die offne linke Hand.
Er sagte nun: »Sie wollen den Mann gern haben, Herr Kapitän? Wollen Sie ihn adoptieren?«
»Unsinn!« bellte der Skipper.
»Übernehmen Sie persönlich die Verantwortung dafür, daß Sie den Mann wieder loswerden können?«
»Verstehe ich nicht«, brummte der Skipper.
»Der Mann darf in keinem Lande landen. Er darf an Land gehen, solange das Schiff im Hafen liegt. Wenn das Schiff fort ist, und er wird aufgegriffen, hat die Kompanie oder Sie, Kapitän, den Mann wieder aus dem Lande herauszubringen. Wo wollen Sie ihn hinbringen!«
»Er kann doch hier nach Hamburg jederzeit zurück«, sagte der Skipper.
»Kann. Kann. Nein, er kann nicht. Deutschland kann seine Aufnahme verweigern und gibt ihn der Kompanie zurück oder Ihnen. Deutschland braucht ihn nicht mehr aufzunehmen, sobald er auch nur die Grenze übertreten hat. Er hat einen Weg. Er kann sich eine Bescheinigung verschaffen, daß er jederzeit nach Hamburg oder Deutschland zurück dürfe und da wohnen darf. Aber eine solche Bescheinigung kann nur das Ministerium ausstellen, und das Ministerium wird es kaum so ohne weiteres tun, weil diese Bescheinigung gleichbedeutend ist mit deutscher Staatsbürgerschaft. Und dann kommt es wieder zu dem Ausgangspunkt zurück. Könnte er eine Staatsbürgerschaft erwerben, dann hätte er sie, er ist ja Deutscher, ist in Posen geboren. Aber weder Deutschland noch Polen erkennen ihn an. Nur wenn Sie oder Ihre Kompanie volle Verantwortung für den Mann übernehmen – «
»Wie kann ich denn das?« rief der Kapitän unwillig aus.
»Dann kann ich den Mann nicht anmustern«, sagte der Konsul ruhig, strich den Namen aus dem Buche wieder aus und händigte Stanislaw den Paß ein.
»Hören Sie«, der Skipper drehte sich noch einmal um und sagte zu dem Konsul, »hören Sie, können Sie denn keine Ausnahme machen? Ich möchte den Mann gern haben. Er ist ein vorzüglicher Rudermann.«
»Tut mir Leid, Kapitän, dazu reichen meine Vollmachten nicht aus. Ich habe mich an meine Vorschriften zu halten. Ich bin nur ein Diener.«
Der Konsul hob die Schultern hoch bis zu den Ohren, als er das sagte, seine Arme
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