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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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durchsuchen muß, und eine andre Hälfte, die sich das Durchsuchen der Taschen gefallen lassen muß. Vielleicht geht der ganze Streit der Menschheit nur darum, wer das Recht hat, die Taschen zu durchsuchen, und wer die Pflicht hat, sich das gefallen zu lassen und noch dafür zu bezahlen.
    Nachdem das Amtsgeschäft vorüber ist, sagt der eine zu mir:
    »So, da drüben ist die Richtung nach Rotterdam, da gehen Sie jetzt immer drauflos und lassen Sie sich hier ja nicht wieder sehen. Und wenn Sie wieder einmal Grenzpolizei treffen, dann halten Sie sie nicht für so dumm, wie Sie uns gehalten haben. Habt ihr denn da drüben in eurem blödsinnigen Amerika nichts mehr zu essen, daß ihr alle hier herüberkommen müßt, um uns das bißchen Essen, das wir für unsre Leute brauchen, auch noch wegzufressen?«
    »Ich bin doch aber gar nicht freiwillig hier«, widerspreche ich, und ich weiß am besten, wie recht ich habe.
    »Merkwürdig, das sagt jeder von euch, den wir hier aufgreifen.« Das ist ja ganz etwas Neues. Da bin ich vielleicht noch nicht einmal der einzige, der sich hier auf einem fremden Erdteil herumtreiben muß.
    »Nun ziehen Sie ab. Und machen Sie keine überflüssigen Umwege mehr. Es wird bald hell, und dann werden wir Sie gut beobachten. Rotterdam ist ein guter Platz. Da sind viele Schiffe, die immer jemand brauchen.«
    Wie oft mir das nun schon erzählt worden ist. Es müßte eigentlich durch das häufige Erzählen nun schon eine wissenschaftliche Wahrheit geworden sein.
    Mit den dreißig Franken konnte ich hier in dem kleinen Städtchen nichts anfangen, das wäre sicher gleich aufgefallen.
    Aber da kam ein Milchwagen, und der nahm mich eine Strecke mit. Und dann kam ein Lastauto, und das nahm mich eine Strecke mit. Dann kam wieder ein Bauer, der Schweine zu einer Stadt brachte. So kam ich Meile um Meile näher nach Rotterdam. Sobald die Menschen nicht zur Polizei gehören und sobald sie nicht zur Polizei gerechnet werden wollen, fangen sie an, sehr liebe Geschöpfe zu werden, die ganz vernünftig denken und ganz normal fühlen können. Ich erzählte den Leuten ganz treu, wie es mir ergangen sei und daß ich keine Papiere hätte. Und sie waren alle so nett, gaben mir zu essen, gaben mir einen warmen, trockenen Winkel, um zu schlafen, und gaben mir gute Ratschläge, wie ich der Polizei am besten aus dem Wege gehen könnte.
    Es ist recht sonderbar. Keiner liebt die Polizei. Und man ruft bei einem Einbruch die Polizei auch nur darum, weil einem nicht erlaubt ist, dem Einbrecher das Leder selbst zu versohlen und ihm den Raub wieder abzunehmen.

9.
     
    Die dreißig Franken umgewechselt in holländische Gulden gaben nicht viel her. Aber auf Geld kann man sich ja überhaupt nicht verlassen, wenn man sonst nichts nebenbei hat.
    Das Nebenbei kam an einem Nachmittag, gleich darauf. Ich strollte am Hafen entlang, und da sah ich zwei Mann daherkommen. Als sie nahe bei mir waren, schnappte ich etwas von ihrem Geschwätz auf. Es ist ja so urkomisch, wenn man einen Engländer reden hört. Die Engländer behaupten immer, wir könnten nicht richtig Englisch sprechen; aber was die Leute reden, das ist sicher kein Englisch. Das ist überhaupt keine Sprache. Na, ganz egal. Ich kann sie ja nicht riechen, die Rotköppe. Aber uns können sie ja auch nicht verdauen. Da gleicht sich das wieder aus. Das geht nun schon so seit hundertfünfzig und ich weiß nicht wieviel Jahren.
    Nun ist natürlich die ganze Suppe erst recht wieder übergekocht, seit die große Schweinerei im Gange war.
    Da kommt man nun in einen Hafen, wo sie dicke sitzen wie die Brombeeren. In Australien, oder vielleicht in China oder Japan. Wie es gerade trifft. Man will einen heben gehen und rutscht in eine Hafenschenke. Da sitzen sie und stehen sie nun, und kaum hat man ein Wort ’raus, gleich geht das Vergnügen los: »Eh, Yank.«
    Man kümmert sich gar nicht um die Bullköppe, man trinkt seinen Kleinen und will gehen.
    Mit einem Male rasselt es aus einer Ecke: »Who won the war? Wer hat den Krieg gewonnen, Yank?«
    Möchte wissen, was mich das angeht. Ich habe ihn nicht gewonnen, das weiß ich einmal ganz genau. Und die ihn wirklich gewonnen zu haben meinen, die haben auch nichts zu lachen und wären froh, wenn niemand davon überhaupt sprechen möchte.
    »He, Yank, who won the war?«
    Was soll man nun sagen, wenn man ganz allein ist, und da sind zwei Dutzend Rotköppe drin? Sagt man: »Wir!«, dann gibt es Senge. Sagt man: »Die Franzosen!«, dann gibt es Senge.

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