Das Totenschiff
und totgearbeitet hätte ich mich ja auch nicht, der Wil’em –.
»Ja«, sagte ich darauf, »der Wil’em war auch aus Westfalen, ich bin aber aus Südfalen, und da braucht man nicht so hart arbeiten, weil alles von selbst wächst, da ist man so schwere Arbeit nicht gewöhnt.«
»Das ist ja dann ganz verständlich«, sagte der Bauer. »Von Südfalen habe ich auch schon viel gehört. Das ist doch das Großherzogtum, wo die vielen Bernsteinbergwerke sind?«
»Richtig«, sagte ich, »das ist der Landesteil, wo die vielen Hochöfen sind, in denen der Königsberger Klops geschmolzen wird.«
»Was? Der Königsberger Klops wird aus Eisen gemacht? Ich habe immer geglaubt, der wird aus gemahlener Steinkohle hergestellt.«
»Das ist der gefälschte. Der wird allerdings aus gemahlener Steinkohle gemacht«, erwiderte ich. »Da haben Sie durchaus recht, aus gemahlener Steinkohle mit eingedicktem Schwefelteer.
Aber der richtige, der echte Königsberger Klops, der wird in Hochöfen geschmolzen, der ist viel härter als der härteste Stahl. Damit haben ja unsre Generäle die Torpedos gefüllt, mit denen sie die Panzerschiffe versenkten. Ich habe selbst an einem solchen Hochofen gearbeitet.«
»Ihr seid doch schlaue Leute, das muß ich schon sagen«, erwiderte der Bauer. »Wir haben ja nun den Krieg gewonnen, und das nehmen wir euch nicht übel. Und der Krieg ist ja jetzt auch vorbei. Warum sollen wir da noch böse miteinander sein. Dann lassen Sie es sich nur recht gut gehen in Spanien.«
Gelegentlich will ich doch einen Deutschen fragen, was eigentlich Königsberger Klops ist. Jeder, den ich gefragt habe, hat mir immer etwas andres erzählt, aber freilich keiner war ein Deutscher.
14.
Die Gegend wurde ziemlich einsam, alles Gebirgsland, Klettern und Klettern. Die Bauern wurden immer geringer und die Hütten immer ärmlicher. Wasser reichlich und das Essen knapp und dürftig. Nachts recht hübsch kalt und selten eine Decke und oft nicht einmal einen Sack. Der Einmarsch in Sonnenländer ist immer mühselig, das haben nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Völker erfahren. »Die Grenze ist jetzt nicht mehr weit«, war mir am Morgen gesagt worden, als ich den Hirten verließ, in dessen elender Hütte ich geschlafen hatte und der sein bißchen Käse, Zwiebeln, Brot und dünnen Wein mit mir geteilt hatte.
Dann war ich auf einer Straße, die an den Bergen hochklomm und wieder hinunterging in die Täler, nur um abermals hochzuklimmen und wieder hinunterzuführen.
Und auf dieser Straße kam ich endlich an ein großes hochgewölbtes Tor, das sehr altertümlich aussah. Zu beiden Seiten des Tores zog sich eine Mauer hin, die ebenso graugelb und alt aussah wie das Tor. Es schien, daß diese Mauer ein großes Gut einschlösse. Die Straße führte direkt unter dem Torbogen her.
Um auf der Straße weiterzukommen, gab es gar keinen andern Weg, als durch das Tor zu gehen. Ich hoffte, daß die Straße über den Gutshof führe, an der gegenüberliegenden Seite ein ähnliches Tor sein werde, durch das man dann wieder auf die Straße komme.
Ich ging drauflos, ging durch das Tor und wanderte geradeaus weiter, ohne jemand zu sehen.
Plötzlich aber kommen zwei französische Soldaten mit Gewehr und aufgepflanztem Bajonett aus irgendeinem Winkel hervor, kommen auf mich zu und fragen mich nach einem Paß. Hier scheinen also sogar die Soldaten nach der Seemannskarte zu fragen.
Ich erkläre ihnen, daß ich keinen Paß hätte. Dann sagen sie aber, daß sie nicht meinen Reisepaß sehen wollten, der kümmere sie nicht, sie möchten lediglich meinen Paß sehen, der vom französischen Kriegsministerium in Paris ausgefertigt sei und mir das Recht gebe, hier in den Festungswerken ohne Begleitung herumzulaufen.
»Das habe ich nicht gewußt, daß dies hier Festungswerke sind«, sage ich, »ich bin immer auf der Straße geblieben und habe geglaubt, das sei der Weg zur Grenze.«
»Die Straße zur Grenze biegt eine Stunde vorher rechts ab. Da war ein Schild. Haben Sie das nicht gesehen?«
»Nein. Das Schild habe ich nicht gesehen.«
Ich erinnere mich jetzt, daß ich eine Straße rechts abbiegen sah. Ich erinnere mich aber auch, daß ich eine ganze Anzahl von Straßen in den letzten Tagen rechts und links abbiegen sah. Aber ich hielt es für besser, immer in der geraden Richtung fortzugehen, die nach Süden führt. Das war für mich die Zielrichtung. Ich habe so viele Schilder gesehen. Aber was gingen mich denn die Schilder alle an? Wenn
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