Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
Vom Netzwerk:
Fanfaren zu begrüßen gedachte. Dieses Fest dauerte etwa ein und eine viertel Stunde oder mehr, es hätte dauern können vier Stunden lang, und ich hätte nichts übriggelassen. Immer wieder kam noch ein solcher Bissen, dann noch ein solcher Happen, dann wieder eine solche kandierte Frucht, dann wieder eine Creme, und nach jedem Gang wollte man einen weiteren sehen. Als aber dann endlich alles vorüber war – Schönes geht ja viel schneller zu Ende als Trübes –, als auch alle die Liköre, Weine, Weinchen und Tröpfchen den Weg aller guten Tropfen gegangen waren, als endlich der Kaffee, süß wie ein Mädel am ersten Abend, heiß wie sie am siebenten und schwarz wie die Flüche der Mutter, wenn sie es erfährt, vorüber war, fühlte ich mich aufgefüllt wie ein Sack, aber ich fühlte mich wohlig und paradiesisch satt mit einer leisen, zart angedeuteten Sehnsucht auf das Abendessen. Meine Herren! Das war ein Essen, das nenne ich Kunstwerk. Dafür lasse ich mich jeden Tag zweimal mit Freuden erschießen.
    Ich rauchte eine Importe, aus der ich alle Düfte und Sonnentänze Westindiens sog. Dann legte ich mich auf das Feldbett, das in dem Raume stand, und sah den blauen Wolken nach.
    Oh, was ist das Leben schön! Wunderschön! So schön, daß man sich mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen erschießen läßt, ohne durch Murren oder Wimmern die Harmonie des Lebens zu stören.
     

15.
     
    Einige Stunden waren vergangen, als der Leutnant hereinkam. Ich stand auf, aber er sagte mir, daß ich nur ruhig liegenbleiben möge, er wolle mir nur mitteilen, daß der Kommandant nicht erst morgen abend zurückkommen werde, wie er angesagt hätte, sondern schon morgen früh, also vor Ablauf meiner vierundzwanzig Stunden. Er habe dadurch die Möglichkeit, die Angelegenheit dem Kommandeur selbst zu übertragen.
    »Freilich«, fügte er hinzu, »an Ihrem Schicksal ändert das nichts. Das Kriegsgesetz ist hier sehr eindeutig und läßt keine Lücke offen.«
    »Der Krieg ist doch aber vorbei, Mr. Leutnant«, sagte ich.
    »Gewiß. Aber wir befinden uns noch im Kriegszustande, und wahrscheinlich so lange, bis alle Verträge endgültig geregelt sind. Unsre Grenzforts haben ihre Reglements noch nicht um einen Punkt geändert, sie sind zur Stunde genau noch so, wie sie während der Dauer des Krieges waren. Die spanische Grenze wird wegen der bedrohlichen Verhältnisse in unsrer nordafrikanischen Kolonie augenblicklich vom Kriegsministerium als größere Gefahrzone bezeichnet als unsre östliche Grenze.«
    Mich interessierte das sehr wenig, was er mir über Gefahrzonen und Reglements erzählte. Was kümmerte mich denn die französische Politik. Mich interessierte nach meinem gesunden Mittagsschlaf ganz etwas andres, und das wollte ich ihn auch gleich wissen lassen.
    Er wollte gehen, sah mich aber noch an und fragte dann lächelnd: »Ich hoffe, Sie fühlen sich den Umständen angemessen entsprechend wohl. Ist Ihnen das Essen bekommen?«
    »Ja, danke.« Nein, ich konnte es nicht ungesagt lassen: »Verzeihen Sie, Herr Leutnant, bekomme ich auch wieder Abendessen?«
    »Natürlich. Glauben Sie denn, wir lassen Sie verhungern. Selbst wenn Sie auch ein Boche sind, verhungern lassen wir Sie doch nicht. In wenigen Minuten bekommen Sie Ihren Kaffee.«
    Ich druckste ein wenig, man möchte doch gegen seinen Gastgeber nicht unhöflich sein. Aber schiet, was braucht ein zum Tode Verurteilter noch länger höflich sein.
    »Entschuldigen Sie, Herr Leutnant, bekomme ich wieder Offiziersessen, Doppelportion?«
    »Selbstverständlich. Was dachten Sie denn? Das ist in der Verordnung. Es ist Ihr letzter Tag. Wir werden Sie doch nicht mit einem schlechten Andenken an unser Fort zu – zum – also hinwegschicken.«
    »Seien Sie unbesorgt, Herr Leutnant, ich behalte das Fort in gutem Andenken. Sie können mich ruhig erschießen. Nur nicht gerade in dem Augenblick, wo das Offiziersessen, Doppelportion, auf dem Tisch steht. Das wäre eine barbarische Handlung, die ich Ihnen nie vergessen würde und die ich oben auch gleich bei meiner Ankunft melden müßte.«
    Eine Weile sah mich der Offizier an, als hätte er mich nicht richtig verstanden. Es war ja auch nicht so leicht, sich aus meinen Brocken klarzumachen, was ich meinte. Aber plötzlich begriff er und verstand er. Und da lachte er so, daß er zum Tisch kommen mußte, um sich festzuhalten. Die beiden Soldaten hatten wohl etwas verstanden, jedoch den wahren Sinn nicht begriffen. Sie standen ganz starr da wie

Weitere Kostenlose Bücher