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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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Gut, wenn sie nur die Personalien festhalten, das ist mir lieber, als wenn sie mich festhalten.
    »Nationalität?«
    Eine heikle Frage jetzt. Ich habe so ein Ding nicht mehr, seitdem ich nicht beweisen kann, daß ich geboren bin. Ich könnte es eigentlich mit Franzose versuchen. Der Konsul hat mir ja erzählt, daß es Tausende von Franzosen gäbe, die nicht französisch sprechen können und doch Franzosen sind, soweit ihre Staatsangehörigkeit in Frage kommt. Glauben wird er es mir ja sicher nicht. Er wird ja auch Beweise sehen wollen. Wissen möchte ich nur, für wen es billiger ist, ohne Fahrkarte auf der Eisenbahn zu fahren, für Franzosen oder für Ausländer? Aber der Ausländer kann ja denken, in Frankreich brauche man keine Fahrkarten und er habe in gutem Glauben gehandelt.
    Geld haben sie in meinen Taschen aber nicht gefunden, und das ist dann schon verdächtig.
    »Ich bin ein Deutscher«, platze ich nun ’raus; denn mir kam ganz plötzlich die Idee, daß ich doch mal sehen möchte, was sie mit einem Boche machen, wenn sie ihn ohne Paß und ohne Fahrkarte in ihrem Lande finden.
    »Also ein Deutscher. Sieh an. Wohl auch noch von Potsdam?«
    »Nein, nur von Wien.«
    »Das ist Österreich. Aber das ist ja alles dasselbe. Also Deutscher. Warum haben Sie denn keinen Paß?«
    »Den habe ich verloren.«
    Nun ging die ganze Reihe wieder herunter. In jedem Lande haben sie genau dieselben Fragen. Hat einer vom andern abgeschrieben. Erfunden wurden sie wahrscheinlich in Preußen oder in Rußland, denn alles, was sich um Einmischung in die Privatverhältnisse eines Menschen handelt, kommt aus einem der beiden Länder. Da sind die Leute am geduldigsten und lassen sich alles gefallen, und vor einem blanken Knopf nehmen sie die Mütze ab. Denn in jenen Ländern ist der blanke Knopf der böse Gott, den man verehren und anbeten muß, damit er sich nicht rächt.
    Zwei Tage später bekam ich vierzehn Tage Gefängnis wegen Eisenbahnbetrugs. Hätte ich gesagt Amerikaner, so würden sie vielleicht herausgekriegt haben, daß ich bereits vorbestraft war wegen Eisenbahnbetrugs, und dann wäre es teurer geworden. Aber meinen Namen erzählte ich ihnen ja auch nicht. Es hat seine Vorteile, wenn man keinen Paß und keine Seemannskarte hat, die jemand in den Taschen finden könnte.
    Als die Tage der Vorbereitungen abgelaufen waren, wurde ich der Arbeitskolonne zugewiesen. Da waren kleine merkwürdige Dinger, die aus Weißblech gestanzt waren. Wozu die gebraucht wurden, wußte kein Mensch, nicht einmal die Aufsichtsbeamten wußten es. Manche behaupteten, es sei ein Teil eines Kinderspielzeugs, andre sagten, es sei ein Teil eines Panzerschiffes, wieder andre waren überzeugt, daß es zu einem Auto gehöre, und einige schworen und verwetteten hereingeschmuggelten Tabak, daß dieser Blechschnipsel ein wichtiges Stück von einem lenkbaren Luftschiff sei. Ich war der festen Meinung, daß es zu einer Taucherausrüstung gehören müsse. Wie ich zu dieser Auffassung kam, weiß ich nicht. Aber die Idee hatte sich in mir festgesetzt, und ich hatte auch irgendwo einmal gelesen, daß an Taucherausrüstungen eine ganze Anzahl von Dingen gebraucht würde, die man sonst nirgends gebrauchen könne.
    Von diesen merkwürdigen Blechschnipseln hatte ich immer hundertvierundvierzig abzuzählen und auf einen Haufen zu legen. Wenn ich einen Haufen fertig abgezählt und neben mir liegen hatte und einen andern Haufen anfangen wollte, kam der Aufsichtsbeamte und fragte mich, ob ich auch ganz genau wüßte, daß dies hundertvierundvierzig Schnipselchen seien, und ob ich mich auch ja nicht etwa verzählt hätte.
    »Ich habe ganz genau gezählt, es sind genau hundertvierundvierzig.«
    »Ist das auch ganz bestimmt, kann ich mich ganz bestimmt darauf verlassen?«
    Er sah mich so sorgenvoll an, als er diese Frage an mich stellte, daß ich aufrichtig zu zweifeln begann, ob das auch wirklich und wahrhaftig hundertvierundvierzig Schnipselchen seien, und ich sagte, es sei vielleicht doch besser, ich zähle sie noch mal nach. Darauf sagte der Beamte, das sollte ich nur tun, es sei auf jeden Fall besser, damit auch ja kein Irrtum vorkomme; denn wenn sie nicht ganz genau gezählt seien, so gäbe das eine Mordsschweinerei, und er könnte vielleicht gar seinen Posten hier verlieren, was ihm sehr unangenehm wäre, weil er drei Kinder und eine alte Mutter zu versorgen hätte.
    Als ich nun das Häufchen das zweite Mal durchgezählt hatte und gefunden hatte, daß die Summe stimmte,

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