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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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und ohne aufgehalten zu werden?«
    »Um diese Stunde ist nur wenig Verkehr auf den zuführenden Straßen. Ich hatte, dem Befehl des Herrn Kommandanten Folge leistend, für die Zeit Exerzieren in einem gegenüberliegenden Werk angeordnet, und es blieben hier nur Patrouillen zurück, die an den Straßen die Zugänge zu beobachten haben. Er ist dann sicher zwischen zwei Patrouillen durchgeschlüpft. Wenn ich mir erlauben darf, möchte ich aus dieser Erfahrung heraus dem Herrn Kommandanten den Vorschlag unterbreiten, die Übungen nur in Drittel Formationsstärke abzuhalten, um die Wachen nicht zu schwächen.«
    »Wir hatten geglaubt, es sei keine Annäherung möglich. Ich hatte mich an die gegebenen Vorschriften zu halten, deren Lücken ich, wie Sie sich wohl erinnern, rapportiert habe. Ich habe nun eine starke Stellung, unsern Entwurf durchzudrücken. Das ist etwas wert. Meinen Sie nicht?«
    Was mich das eigentlich anging, welchen Entwurf sie für besser hielten. Warum sie nur das alles in meiner Gegenwart ausmachten? Aber warum sollten sie auch ein Blatt vor den Mund nehmen, vor einem Toten?
    »Wo kommen Sie denn her?« fragte mich nun der Kommandant.
    »Von Limoges.«
    »Wo sind Sie denn über die Grenze gegangen?«
    »In Straßburg.«
    »In Straßburg? Das liegt doch gar nicht an der Grenze.«
    »Ich meine da, wo die amerikanischen Truppen liegen.«
    »Sie meinen im Moselgebiet? Dann sind Sie also im Saargebiet herübergekommen?«
    »Ja, das wollte ich sagen. Ich habe Straßburg mit Saarsburg verwechselt.«
    »Was haben Sie denn hier die ganze Zeit in Frankreich gemacht? Herumgebettelt?«
    »Nein. Ich habe gearbeitet. Bei Bauern. Und wenn ich wieder ein wenig Geld hatte, habe ich mir eine Fahrkarte gekauft und bin wieder ein Stück weitergefahren, bis ich wieder bei einem Bauern gearbeitet habe und wieder eine Fahrkarte kaufen konnte.«
    »Wo wollten Sie denn jetzt hin?«
    »Nach Spanien.«
    »Was wollen Sie denn in Spanien?«
    »Sehen Sie, Herr Kommandeur, nun kommt bald der Winter, und ich habe kein Feuerungsmaterial angespart. Da habe ich denn gedacht, ich gehe besser beizeiten nach Spanien, da ist es auch im Winter schön warm, und da braucht man kein Feuerungsmaterial, da kann man sich ruhig in die Sonne setzen und den ganzen Tag Apfelsinen und Weintrauben essen. Die wachsen da ja wild im Chausseegraben, man braucht sie nur abzupflücken, und die Leute sind froh, wenn man sie abpflückt, weil das für die Spanier nur Unkraut ist, das sie nicht haben wollen.«
    »Also nach Spanien wollen Sie?«
    »Wollte ich. Jetzt geht es ja nicht mehr.«
    »Warum?«
    »Weil ich doch erschossen werde.«
    »Wenn ich Sie jetzt nicht erschießen lasse und Ihnen sage, Sie gehen auf dem schnellsten Wege zurück nach Deutschland, und Sie können frei gehen unter der Bedingung, daß Sie sofort nach Deutschland zurückkehren, würden Sie mir das versprechen?«
    »Nein.«
    »Nein?« Er sah den Leutnant merkwürdig an.
    »Lieber erschießen. Nach Deutschland gehe ich nicht. Ich bezahle keine Schulden mit. Aber davon abgesehen. Ich habe mir vorgenommen, daß ich nach Spanien gehen will, und ich gehe nach Spanien und nirgendwo anders hin. Wenn ich wohin gehen will, gehe ich da hin. Wenn ich erschossen werde, kann ich nicht hingehen. Spanien oder den Tod. Nun können Sie mit mir machen, was Sie wollen.«
    Nun lachte der Kommandant, und auch der Leutnant lachte. Und der Kommandant sagte lachend: »Lieber Junge, das hat Sie gerettet. Ich will Ihnen nicht sagen, warum, damit es nicht mißbraucht wird. Aber Sie haben mich davon überzeugt, daß ich Sie frei gehen lassen darf, ohne daß ich meine Pflicht verletze. Was sagen Sie, Leutnant?«
    »Ich halte die Auffassung des Herrn Kommandanten für die allein richtige, und ich finde nichts, was mein Gewissen oder meine Ehre belasten könnte.«
    Der Kommandant sagte nun: »Sie werden jetzt sofort unter Bedeckung zur Grenze gebracht und der spanischen Grenzwache übergeben. Ich brauche Sie wohl nicht noch ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn Sie je wieder hier in der Nähe, auch wenn es nicht auf rein militärischem Gebiete ist, gesehen werden sollten, daß dann keine Frage mehr besteht, in welcher Form sich Ihr Schicksal innerhalb der nächsten zwei Stunden nach dem Ergreifen gestaltet. Haben Sie genau verstanden, was ich damit meine?«
    »Jawohl, Herr Kommandant.«
    »Gut, das ist alles. Sie gehen sofort.« Ich blieb aber stehen und trat von einem Fuß auf den andern.
    »Noch was?«

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