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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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ein Bad nimmt und endlich so lange wartet, bis die Wäsche wieder trocken ist, oder bis man sie noch naß anziehen muß, weil es zu regnen anfängt.
    Mein Ansehen schien aber der beste Beweis für sie zu sein, daß ich direkt ohne Aufenthalt von Deutschland kam. So hatten sie sich vorgestellt, wie ein Deutscher, der den Krieg verloren hat, den die Amerikaner bis aufs Hemd ausgeplündert und die Engländer ausgehungert haben, aussehen müsse. Und meine Erscheinung deckte sich mit ihren Vorstellungen so vollkommen, daß, wenn ich gesagt hätte, ich bin Amerikaner, sie mich für einen unverschämten Lügner angesehen hätten, der sie zum Narren halten wolle.
    Daß jemand, der direkt ohne Aufenthalt aus Deutschland kommt, einen entsetzlichen Hunger haben muß, der sich nicht innerhalb fünf Jahre stillen läßt, war ihnen klar. Beim Mittagessen bekam ich so viel aufgehäuft, daß ich die fünf Jahre Hungerns ohne Mühe einholen konnte.
    Dann brachte einer ein Hemd, einer Stiefel, einer einen Hut, einer ein halbes Dutzend Strümpfe, einer Taschentücher, einer Kragen, einer seidene Schlipse, einer eine Hose, einer eine Jacke, und so ging das in einem fort. Ich mußte alles annehmen und mußte alles, was ich bis jetzt besessen hatte, fortwerfen.
    Nachmittags wurden Karten gespielt. Diese Karten kannte ich nicht, aber sie lehrten es mich, und ich spielte bald so gut, daß ich ihnen ein hübsches Sümmchen abgewann, was sie sehr erfreute und sie veranlaßte, immer weiterzuspielen.
    Durch diese Station war noch nie ein Deutscher gekommen, und deshalb wurde ich als der Vertreter, als der erste echte Vertreter jenes hier so sehr beliebten Volkes entsprechend gefeiert.
    O sonniges Spanien! Das erste Land, das ich traf, wo man nicht nach meiner Seemannskarte fragte, wo man nicht meinen Namen, mein Alter, meine Körperlänge, meine Fingerabdrücke wissen wollte. Wo man nicht meine Taschen durchsuchte, wo man mich nicht bei Nacht zu einer Grenze schleppte und mich hinausjagte wie einen ausgedienten Hund, wo man nicht wissen wollte, wieviel Geld ich habe und wovon ich die letzten Monate gelebt hätte.
    Nein, sie steckten mir die Taschen noch voll, damit endlich einmal jemand in meinen Taschen etwas finden möge. Den ersten Tag war ich in der Wache, die erste Nacht mußte ich im Hause des einen Beamten schlafen, den darauffolgenden Tag wurde ich in seinem Hause verpflegt. Am Abend wurde ich von einem andern abgeholt. Und nie wollte mich einer herausgeben, bei jedem sollte ich eine Woche bleiben. Das gab aber der, der jetzt an der Reihe war, nicht zu. Und als die Reihe herum war und wieder von vorn anfangen sollte, kamen die Bewohner des ganzen Grenzörtchens der Reihe nach an und erhoben Anspruch auf mich, und ich hatte jeden Tag bei einem andern Bürger zuzubringen. Die Konkurrenz, daß ich von jedem fortgehen sollte mit dem Gefühl, er habe mich bei weitem besser bewirtet als der Nachbar, zwang mich, eines Nachts die Flucht zu ergreifen. Ich bin fest davon überzeugt, die Leute alle behaupten heute, eine solche Undankbarkeit hätten sie nicht von mir erwartet. Aber der Tod durch Erschießen oder Erhängen war ja ein Lustspiel gegenüber dem qualvollen Tode, der mich hier erwartete und dem ich durch nichts andres als durch eine nächtliche Flucht entgehen konnte. Durch solche Mißverständnisse werden Menschen verdorben. Ich lebe in ihrer Erinnerung als jemand, der sicher ein entlaufener Zuchthaussträfling gewesen sein müsse, weil er sich so heimlich zur Nachtzeit aus dem Staube machte. Es ist durchaus möglich, wenn wieder ein fremder Mann dorthin kommt, diesmal vielleicht ein echter Deutscher, daß ihm kaum eine warme Suppe vorgesetzt wird, oder wenn sie ihm gegeben wird, dann mit hochgezogenen Augenbrauen und mit einer Miene, die deutlich sagt: Verhungern lassen wir keinen, und wenn es der Satan selber wäre. Aus Liebe kann nicht nur Haß werden, sondern, was viel schlimmer ist, aus Liebe kann Sklaverei werden. Hier war sie Sklaverei mit Totschlag. Nicht einmal auf den Hof konnte ich gehen, ohne daß mir sofort ein Familienmitglied nachgelaufen kam mit der besorgten Frage, ob ich auch weiches Papier hätte. Yes, Sir.
    Das kann kein Mensch ertragen oder nur ein Paralytiker. Hätte ich eine Andeutung gemacht, daß ich abreisen wolle, die Leute hätten mich in Ketten gelegt. Ich denke, daß ein Vernünftiger unter jenen Leuten lebt, der meine Untat in einem milderen Lichte sehen wird.
     

17.
     
    Sobald es mir in Sevilla zu

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