Das Totenschiff
fragte der Kommandant.
»Darf ich eine Frage an den Herrn Leutnant richten?«
Nicht nur der Kommandant schien zu erstarren, sondern erst recht der Leutnant. Der Kommandant warf einen Blick auf den Leutnant, als ob er ihn schon vor dem Kriegsgericht sähe.
Er vermutete richtig: der Leutnant war in der Tat im Bunde mit mir.
»Bitte, richten Sie Ihre Frage an den Herrn Leutnant.«
»Verzeihen der Herr Leutnant, ich habe noch nicht gefrühstückt.«
Der Kommandant und der Leutnant platzten in ein schallendes Gelächter aus, und der Kommandant brüllte ’rüber zum Leutnant: »Nun ist wohl kein Zweifel mehr, daß der Mann unverdächtig ist.«
»Der Zweifel war mir gestern schon geschwunden«, sagte der Leutnant, »als ich ihn fragte, ob er Hunger habe.«
»Gut, Sie sollen auch ein Frühstück haben«, sagte der Kommandant noch immer lachend.
Aber ich hatte noch etwas auf dem Herzen.
»Herr Leutnant, da es doch schon mein letztes Essen, mein Abschiedsessen ist, darf ich um Offiziersfrühstück, Doppelportion, bitten? Ich möchte doch das Fort so gern in einem recht guten Andenken behalten.«
Der Kommandant und der Leutnant brüllten vor Lachen, daß das ganze Fort zu erzittern schien.
Und unter seinem bärenhaften Lachen schrie der Kommandant die Worte hervor, die er nur mühselig in Reihe halten konnte, weil sie immer wieder von seinem schreienden, brüllenden Lachen abgehackt wurde: »Das ist der echte verhungerte Boche, wenn er schon am Ersaufen ist, wenn ihm schon der Strick um den Hals gelegt ist, will er erst noch essen und essen und noch mal essen. Diese verfressene Teufelsbrut kriegen wir nie unter.« Ich hoffe, daß die Boches für diese gute Meinung, die ich zwei französischen Offizieren über sie eingeflößt habe, mir ein anständiges Denkmal errichten werden. Nur nicht in der Siegesallee, dann lieber nicht. Da würde ich den schlechten Geschmack im Munde nie los, und unzulängliche Revolutionen würden mir als Gespenster erscheinen.
16.
Zwei Mann mit aufgepflanztem Seitengewehr begleiteten mich. So wanderte ich in das sonnige Spanien ein. Mit allen militärischen Ehren. Die Soldaten brachten mich zur Grenzwache, und dort wurde ich den spanischen Grenzbeamten übergeben.
»Papiere hat er keine«, sagte der mich begleitende Korporal.
»Es aleman?« fragte der Spanier.
»Si, Senjor«, sagte ich.
»Seien Sie willkommen!« antwortete darauf der Spanier, und zu dem Korporal sagte er, es sei gut, er würde mich hierbehalten. Der Korporal sah nach seiner Uhr und schrieb dann etwas auf einen Rapportzettel. Dann machten die beiden Soldaten kehrt und zogen ab.
»Good bye, France!«
Die Grenze Frankreichs entschwand meinen Blicken.
Der spanische Beamte schleifte mich nun gleich in die Wachstube, wo ich von allen Beamten sofort umringt wurde, die mir alle die Hand schüttelten und mich umarmten. Einer wollte mich sogar auf die Backen küssen. »Mach Krieg mit dem Amerikaner, und du findest keinen bessern Freund auf der ganzen Erde als den Spanier!« Hätten sie gewußt, wer ich bin, daß ich ihnen Kuba und die Philippinen abgenommen und manches andre zugefügt habe, würden sie mich zwar nicht erschlagen und sie würden mich auch nicht zurückgeschickt haben in jenes Fleckchen, wo ich mich nie wieder sehen lassen durfte, aber sie wären kühl gewesen wie nasse Jacken und gleichgültig wie altes Bettstroh.
Erst kriegte ich einmal Wein eingeschenkt, dann gab es Eier und feinen Käse. Dann gab es zu rauchen und wieder Wein zu trinken und wieder Eier und feinen Käse, und dann wurde mir gesagt, nun gäbe es bald Mittagessen. Die Beamten, die draußen im Dienst waren, kamen nach und nach herein. Und nun ging keiner mehr hinaus. Ganze Schmugglerzüge hätten jetzt kommen können, das wäre ihnen ganz gleichgültig gewesen. Hier war ein Deutscher, und dem hatte man zu zeigen, was man von Deutschland und den Deutschen dachte. Und um das auch ganz genau zu zeigen, wurde ihm zu Ehren aller Dienst eingestellt.
Äußerlich betrachtet, war ich kein glorreiches Beispiel des so sauberen und adretten deutschen Landes und seiner so frischgewaschenen und adretten Bewohner. Seit meine Tuscaloosa abgesegelt war, hatte ich weder meinen Anzug noch meine Stiefel, noch meinen Hut gewechselt, und meine Wäsche sah so aus, wie sie eben aussehen kann, wenn man sie an Bächen und Flüssen, an denen man vorüberkommt, mit mehr oder weniger Seife mehr oder weniger sorgfältig wäscht, dann auf einen Strauch hängt, selbst
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