Das Totenschiff
befunden habe, wenn nicht in den meisten Fällen abschwächende Umstände vorhanden gewesen wären. Es werden ja selten Dinge auf die äußerste Spitze getrieben. Um die Wahrheit zu gestehen, in den meisten Fällen wurde weder ausgekleidet noch angekleidet. Nicht etwa, daß wir nichts zum An- und Auskleiden gehabt hätten. Das war es nicht. Etwas war schon immer noch vorhanden, daß wir wenigstens den guten Willen zeigen konnten. Aber was dann, wenn man weder eine Matratze noch eine Decke, noch sonst etwa etwas Ähnliches hat?
Als ich ankam, hatte ich in der Erinnerung an normale Boote gefragt:
»Wo ist denn die Matratze für meine Bunk?«
»Wird hier nicht geliefert.«
»Kissen?«
»Wird hier nicht geliefert.«
»Decke?«
»Wird hier nicht geliefert.«
Mich wunderte nur, daß die Kompanie überhaupt das Schiff lieferte, das wir zu fahren hatten; und ich wäre nicht erstaunt gewesen, wenn man mir gesagt hätte, das Schiff muß jeder selber mitbringen. Ich war an Bord gekommen mit einem Hut, einer Jacke, einer Hose, einem Hemd und einem Paar – als sie noch neu waren, hatten sie Stiefel geheißen. Heute konnte man sie nicht gut so nennen, man würde es mir nicht geglaubt haben. Da waren aber andre an Bord, die nicht so reich waren. Einer hatte überhaupt keine Jacke, ein andrer überhaupt kein Hemd und ein Dritter hatte keine Schuhe, sondern eine Art Mokassins, die er sich aus alten Säcken, Kistendeckeln und Tauwerk gemacht hatte. Später erfuhr ich, daß die, die am wenigsten hatten, beim Skipper am höchsten angesehen wurden. Sonst ist es gewöhnlich andersherum. Aber hier, je weniger jemand hatte, desto weniger unternahm er das Wagnis, auszusteigen und die gute »Yorikke« ihrem Schicksal zu überlassen.
Meine Bunk war an der Korridorwand befestigt. Die gegenüberliegenden Bunks waren an einer Holzwand befestigt, die das Quartier in zwei Kammern teilte. An der andern Seite dieser Holzwand waren gleichfalls zwei Bunks, und diesen beiden Bunks gegenüber an der äußeren Bordwand waren abermals zwei Bunks. Dadurch war es möglich gemacht worden, daß dieses Quartier, das für vier ausgewachsene Menschen schon reichlich knapp war, nun acht Leuten zum ständigen Wohnaufenthalt zu dienen hatte. Jene Holzwand, die das Quartier in zwei Kammern teilte, war aber nicht durch das ganze Quartier gezogen, weil sonst die Leute, die in der äußeren, der Bordwandkammer lagen, zur Seitenluke hätten herauskriechen müssen, die aber auch nicht groß genug war, daß sich jemand hätte hindurchzwängen können. Diese Wand war also nur in zwei Drittel Länge mitten durch den Raum gezogen, und da, wo diese Wand aufhörte, begann der Meßraum, der Speisesalon. Laut Vorschrift muß der Meßraum von den Schlafkammern getrennt sein. Das war hier vollkommen geglückt. Alle drei Räume waren derselbe Raum, durch die Wand aber war dieser Raum in drei Räume geteilt, wo eben nur die Türen immer offen waren. So hatte man sich das zu denken, denn die Kammern hatten keine besondere Tür, das Quartier hatte eine gemeinschaftliche Tür, die in den Korridor führte. In jenem Meßraum stand der rohe Eßtisch, und an jeder Längsseite des Tisches war eine rohe Bank. In einer Ecke, neben dem Eßtisch, stand ein alter verbeulter Blecheimer, der immer leckte. Er war Wascheimer, Badewanne, Scheuereimer alles in einer Gestalt. Außerdem diente er noch andern Zwecken, darunter auch solchen, um schwerbesoffene Seeleute um einige Kilo zu erleichtern, in den Fällen, wo der Eimer rechtzeitig erreicht wurde. Wurde er zu spät erreicht, wachte gewöhnlich ein Unbeteiligter in seiner Bunk auf, weil er von einem Wolkenbruch heimgesucht worden war, der alles mögliche in die Bunk gebracht hatte, das auf und unter der Erde erzeugt wird, mit der einzigen Ausnahme; Wasser. Wasser war nicht dabei, bei diesem Wolkenbruch, no Sir.
Da waren vier Kleiderspinde in diesem Quartier. Wäre es nicht der verrotteten Lumpen und alten Säcke wegen gewesen, die darin hingen, so hätte man die Spinde leer nennen können. Acht Mann lagen in diesem Quartier, aber es waren nur vier Spinde drin. Vier Spinde zuviel, denn wenn man nichts zum Reinhängen hat, braucht man auch keinen Spind. Das war ja auch der Grund, weshalb nur vier vorhanden waren. Es war von vornherein ausgemacht, daß fünfzig Prozent der Mannschaft, die auf der »Yorikke« fahren, nichts haben, das sich lohnen möchte, in einem Spinde aufbewahrt zu werden. Türen hatten die vier Spinde nicht mehr, woraus
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