Das Totenschiff
aber verschwor seine Seele und seine noch ungeborenen Kinder, daß er den Schlüssel nicht habe und daß er strengstens verbiete, daß jemand die Kammer öffne oder gar hineingehe. Jeder Skipper hat seine Schrullen. Er hatte viele, unter andern jene, nie die Quartiere der Mannschaft zu inspizieren, was er jede Woche einmal zu tun, laut Vorschrift, verpflichtet war. Er begründete die Schrulle damit, daß er es nächste Woche ja tun könne, daß er sich gerade heute nicht den Appetit verderben wolle und auch das Besteck noch nicht gesetzt habe, was er jetzt zuerst einmal tun müsse.
25.
Es waren aber doch einmal Leute in jener Schreckenskammer gewesen und hatten sich alles angesehen, was drin war. Diese Leute waren jetzt nicht mehr auf der »Yorikke«, sie waren sofort ’runtergefeuert worden, als es herauskam, daß sie es gewagt hatten, in jene Kammer einzudringen. Aber ihre Erzählung hatte sich doch auf der »Yorikke« erhalten. Solche Erzählungen erhalten sich immer, auch wenn die gesamte Mannschaft entlassen wird auf einen Ruck, besonders in jenen Fällen, wenn der Eimer auf einige Monate ins Trockendock muß.
Die Mannschaft mag das Schiff verlassen. Die Erzählungen verlassen ein Schiff nie. Wenn das Schiff die Erzählung gehört hat, bleibt die Erzählung auch drauf. Sie dringt in das Eisen, in das Holz, in die Bunks, in die Ladeschächte, in die Kohlenbunker, in den Kesselraum. Und dort erzählt das Schiff in den Nachtstunden seinen Kameraden, den Mannschaften, die Geschichten wieder, Wort für Wort, genauer als wenn die Geschichten gedruckt wären.
Auch diese Geschichten über die Schreckenskammer waren erhalten geblieben. In der Kammer hatten die beiden Eindringlinge mehrere menschliche Skelette gesehen. Wie viele es waren, hatten sie in ihrem grausigen Schreck nicht zählen können. Es wäre auch nur schwer möglich gewesen, weil die Skelette auseinandergefallen und durcheinandergeschüttelt worden waren. Es war aber eine ganze Anzahl. Es wurde auch bald festgestellt, wer die Skelette waren, oder richtiger, wem sie ursprünglich gehörten. Die Skelette waren die Überreste ehemaliger Mitglieder der »Yorikke«-Mannschaft, die von Ratten aufgefressen worden waren, die die Größe sehr großer Katzen hatten. Diese überlebensgroßen Ratten waren wiederholt gesehen worden, wenn sie aus irgendwelchen Löchern der Schreckenskammer herauswischten.
Warum diese bedauernswerten Opfer den Ratten zum Fraße vorgeworfen worden waren, stand zuerst nicht zweifelsfrei fest. Es kamen Gerüchte in Umlauf, die sich schließlich aber auf eines kristallisierten. Diese armen Männer waren geopfert worden, um die Fahrtkosten für die »Yorikke« niedrig zu halten und die Dividenden der Kompanie oder des Einzelbesitzers der »Yorikke« hoch zu halten. Wenn nämlich in einem Hafen ein Mann abmusterte und er wagte es, die Bezahlung der Überstunden zu verlangen, wie es laut Vereinbarung getan werden soll, so wurde er kurzerhand in die Schreckenskammer gebracht.
Dem Skipper blieb ja kein andrer Ausweg. Die Bezahlung der Heuer und die Abmusterung wurden im Hafen vorgenommen. Dort konnte der Skipper den Mann, der seine Überstunden bezahlt haben wollte, nicht gut über Bord werfen; denn das hätten die Hafenbehörden sehen können und den Skipper wegen Hafenverunreinigung mit Geldstrafe belegt. Was er mit seinem Manne tat, darum hatten sich die Behörden nicht zu kümmern, nur was er mit dem Hafen und dem Hafenwasser tat. Hätte der Skipper nun den Mann einfach vom Boot gehen lassen, so wäre der Mann zur Polizei gegangen oder zum Konsul oder zu einer Seemannsgewerkschaft, und der Skipper hätte die Überstunden bezahlen müssen. Um das zu vermeiden, wurde der Mann kurz entschlossen in die Schreckenskammer eingeschlossen.
Wenn das Schiff nun auf hoher See war, so ging der Skipper ’runter, um den Mann wieder ’rauszulassen, denn nun war er ja nicht mehr gefährlich. Aber die Ratten wollten den Mann jetzt nicht mehr hergeben, sie hatten schon angefangen, an ihm zu essen, und eine Anzahl von Paaren wartete bereits mit Heiratslizenzen, weil die Gelegenheit so günstig war, ein ganz ausgezeichnetes Hochzeitsessen geben zu können. Der Skipper brauchte den Mann bitter notwendig zum Arbeiten, und er mußte sich in einen Kampf mit den Ratten einlassen. Bei diesem Kampfe aber zog der Skipper jedesmal den kürzeren und mußte endlich, um sein eignes Leben zu retten, die Kammer verlassen, ohne den Mann mitzukriegen. Hilfe
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