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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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Kontrast sofort gewußt hätte.
    »So, Sie sind der neue Kohlenzieher?« grüßte er mich, als ich in seine Kabine trat.
    »Ich? Kohlenzieher? No, Sir, I am fireman, ich bin Heizer.« Mir kam schon der Leuchtturm in Sicht.
    »Von Heizer habe ich nichts gesagt«, mischte sich jetzt der Taschendieb ein. »Ich habe gefragt Heizpersonal, nicht wahr, das habe ich doch gefragt?«
    »Das ist richtig«, erwiderte ich, »das haben Sie gefragt, und das habe ich mit ja beantwortet. Aber nie in meinem Leben habe ich dabei an Kohlenzieher gedacht.«
    Der Skipper machte ein gelangweiltes Gesicht und sagte zu dem Roßtäuscher:
    »Das ist nun Ihre Sache, Mr. Dils. Ich habe geglaubt, das sei in Ordnung.«
    »Ich will sofort das Boot verlassen, Skipper. Ich denke mit keiner Idee daran, als Kohlenzieher zu zeichnen. Sofort ausbooten. Ich protestiere, und ich werde mich beim Hafenamt beschweren wegen versuchten Shanghaiing.«
    »Wer hat Sie shanghaied?« fuhr jetzt der Roßtäuscher auf. »Ich? Das ist eine unverschämte Lüge.«
    »Dils«, sagte der Kapitän jetzt sehr ernst, »damit will ich nichts zu tun haben. Dafür bin ich nicht verantwortlich. Das haben Sie auszubaden, das erkläre ich gleich hier. Machen Sie das draußen miteinander ab.«
    Der Taschendieb ließ sich aber nicht verwirren. »Was habe ich gefragt? Habe ich nicht gefragt: Kesselgang?«
    »Richtig, das haben Sie gefragt, aber Sie haben nicht gesagt – «
    »Gehört der Kohlenzieher zur Schwarzen Bande oder nicht?« fragte der Ingenieur nun lauernd.
    »Allerdings gehört der Kohlenzieher dazu«, bestätigte ich der Wahrheit gemäß, »aber ich habe – «
    »Dann ist es ganz in Ordnung«, sagte nun der Skipper. »Wenn Sie Heizer meinten, so hätten Sie das ausdrücklich sagen müssen, dann hätte Mr. Dils Ihnen schon gesagt, daß wir keinen Heizer zu kurz sind. Also gut, dann können wir ja nun schreiben.«
    Er nahm die Mannschaftslisten und fragte nach meinem Namen.
    Unter meinem guten Seemannsnamen auf einem Totenschiff? Niemals. So tief bin ich noch nicht gesunken. Ich kriege ja nie wieder in meinem Leben einen ehrenhaften Eimer. Lieber das Entlassungszeugnis aus einem anständigen Gefängnis, das ist besser als das Quittungsbuch eines Totenschiffes.
    So gab ich meinen guten Namen auf und sagte mich von meinen Familienbanden los. Ich hatte keinen Namen mehr.
    »Geboren in und wann?«
    Der Name war weg, aber ich hatte meine Heimat noch. »Geboren in und wann?«
    »In – in – «
    »In wo?«
    »Alexandria.«
    »In US.?«
    »Nein in Ägypten.«
    Nun war auch die Heimat weg; denn von nun hatte ich das Quittungsbuch der »Yorikke« als einzigen Ausweis für den Rest meines Lebens. »Nationalität? Britisch?«
    »No. Ohne Nationalität.«
    Ich sollte meinen Namen und meine Nationalität in den Listen der »Yorikke« für ewige Zeiten registriert wissen? Ein gutgewaschener Amerikaner, zivilisiert, ausgerüstet mit dem Evangelium der Zahnbürste und der Wissenschaft des täglichen Füßewaschens, sollte je eine »Yorikke« gefahren, je eine »Yorikke« bedient, gescheuert, angestrichen haben? Meine Heimat, nein, nicht meine Heimat, aber die Vertreter meiner Heimat hatten mich zwar ausgestoßen und verleugnet. Aber kann ich die Erde verleugnen, deren Hauch ich mit meinem ersten Atemzuge trank? Nicht der Vertreter wegen und nicht seiner Flagge wegen, aber der Liebe zur Heimat wegen, ihr zuliebe, ihr zu Ehren, habe ich sie abzuschwören. Auf der »Yorikke« fährt kein ehrlicher amerikanischer Junge, selbst wenn er dem Henker entlaufen sein sollte.
    »No, Sir, keine Nationalität.«
    Nach Seemannskarte, Heuerbuch, Paß oder sonst etwas Ähnlichem fragte er nicht. Er wußte, daß Leute, die zur »Yorikke« kommen, nicht nach solchen Dingen gefragt werden dürfen. Sie könnten ja sagen: »Ich habe keine Papiere.« Was dann? Dann dürfte er sie nicht zeichnen lassen, und »Yorikke« würde keine Mannschaft haben. Beim nächsten Konsul mußte die Liste ja amtlich bestätigt werden. Aber dann war nichts mehr zu ändern, der Mann war bereits angemustert, hatte bereits gefahren, da war es nicht mehr möglich, ihm die konsulare Bestätigung zu verweigern. Der Konsul kennt amtlich keine Totenschiffe, und nicht amtlich glaubt er nicht daran. Konsul zu sein, erfordert Talente. Die Konsuln glauben auch nicht an das Geborensein von Menschen, wenn der Geburtsschein das Geborensein nicht schwarz auf weiß beurkundet.
    Was blieb von mir noch übrig, nachdem Name und Heimat verspielt

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