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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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Frachtsatz. Lieferungsgrenze achtzehn Monate. Ich werde doch nicht dieser acht Kisten wegen, die als Nebengut gehen, Liverpool machen. Die sind Gelegenheitsgut, die keine Fracht kosten sollen. Wenn ich mehr aufnehme, daß es sich lohnt, gehe ich natürlich schon innerhalb der nächsten sechs Monate ’rauf.«
    »Das konnten Sie doch aber gleich sagen, daß es nicht Stückgut sei, sondern Schnappgut, das Sie für Liverpool haben.«
    »Das haben Sie ja nicht gefragt«, widerspricht der Roßtäuscher. Eine feine Gesellschaft. Schmuggeln, Deklarierungen fälschen, Häfen täuschen, Kurse schwindeln und Totenschiffe fahren. Denen gegenüber ist ein zünftiger Seeräuber ein Edelmann. Einen Seeräuber fahren, ist keine Schande, da würde ich weder Namen noch Nationalität abschwören. Seeräuber fahren, ist Ehrensache. Diesen Eimer fahren, ist eine Schmach, an der ich lange zu würgen haben werde, bis sie geschluckt und verdaut sein wird.
    »Wollen Sie hier Ihren Namen untersetzen.« Der Skipper reicht mir einen Federhalter.
    »Darunter? Nie! Nie!« Ich rufe es in Empörung.
    »Wie Sie wollen. Mr. Dils, bitte, schreiben Sie hier als Zeuge hin.«
    Dieser Taschendieb, dieser Roßtäuscher, dieser Gauner, dieser Betrüger, dieser Shanghaier, dieser Mann, für den der Strick, mit dem zwei Dutzend Raubmörder gehenkt worden sind, zu anständig und zu ehrenhaft wäre, soll da für mich unterschreiben. Dieses Aas soll nicht einmal unter meinem ausgedachten Namen seine aussätzige Hand hinlegen dürfen.
    »Geben Sie her, Skipper, ich unterschreibe selbst, es ist ja nun doch alles schon Schiet mit Rotz.«
    »Helmont Rigbay, Alexandria (Ägypten).«
    Da steht es. Fest und sicher. Nun »Yorikke«, hoiho! Geh zur Hölle meinetwegen. Jetzt ist alles, alles egal. Ausgelöscht aus den Lebenden. Verweht. Kein Hauch von mir ist mehr in der Welt.
     
    Holla-he! Holla-he! Hoiho!
    Ich liege nicht an einem Riff,
     ich fahre auf dem Totenschiff
    so fern vom sonn’gen New Orleans,
    so fern vom lieben Louisiana.
     
    Holla-he! Morituri salutant! Die modernen Gladiatoren grüßen dich, o Cäsar Augustus Capitalismus, Morituri salutant! Die Todgeweihten grüßen dich, o Cäsar Augustus Imperator, wir sind bereit zu sterben für dich, für die heilige und glorreiche Versicherung.
    O Zeiten, o Sitten! Die Gladiatoren zogen in glänzenden Rüstungen in die Arena. Fanfaren schmetterten und Zimbeln klangen. Schöne Frauen winkten ihnen zu von den Brüstungen und ließen ihre goldgestickten Tüchelchen fallen; die Gladiatoren hoben sie auf, preßten sie an ihre Lippen, atmeten den berückenden Hauch, und ein süßes Lächeln dankte ihnen und grüßte sie. Unter dem begeisterten Beifallsgeschrei einer erregten Menge, unter den Klängen rauschender Kriegsmusik hauchten sie ihren letzten Atem aus.
    Wir aber, die Gladiatoren von heute, wir verkommen im Dreck. Wir sind zu müde, um uns zu waschen. Wozu auch waschen? Wir verhungern, weil wir vor der Schüssel einschlafen. Wir verhungern, weil die Kompanie sparen muß, um die Konkurrenz auszuhalten. Wir sterben in Lumpen, schweigend, auf einem gesuchten Riff, tief im Kesselraum. Wir sehen das Wasser kommen, und wir können nicht mehr ’rauf. Wir hoffen, daß der Kessel explodiert, um es kurz zu machen, weil die Hände eingeklemmt sind, die Feuertüren aufgerissen sind und die glühende Kohle an unsern Füßen und Schenkeln langsam frißt. Der Kesselbums? Der ist dran gewöhnt. Dem macht das Verbrennen und Verbrühen nichts aus.
    Wir sterben ohne Fanfarenmusik, ohne das Lächeln schöner Frauen, ohne das Beifallsrauschen einer erregten, festlich gestimmten Menge. Wir sterben schweigend und in Lumpen, für dich, o Cäsar Augustus! Heil dir, Imperator, wir haben keinen Namen, wir haben keine Nationalität. Wir sind niemand, wir sind nichts.
    Heil dir, Cäsar Augustus Imperator, du hast keinen Witwen und Waisen Pension zu zahlen. Wir, o Cäsar, sind die getreuesten deiner Diener. Die Todgeweihten grüßen dich!
     

27.
     
    Es war halb sechs, als ein Neger das Abendbrot in das Quartier brachte. Das Abendbrot war in zwei verbeulten und fettigen Blechkumpen. Eine dünne Erbsensuppe, Pellkartoffeln und heißes braunes Wasser in einer zerhämmerten Emaillekanne. Das braune Wasser hieß: der Tee.
    »Wo ist denn das Fleisch?« fragte ich den Neger.
    »Nichts von Fleisch heute«, sagte er.
    Ich sah ihn an und bemerkte, daß er kein Nigger war, sondern ein Weißer. Er war der Kohlenzieher einer andern

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