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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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vier war ich auf Wache. Um drei gab es den Kaffee. Um vier, wenn ich abgelöst wurde, war auch nicht ein Tropfen mehr von diesem Kaffee vorhanden. Manchmal war noch heißes Wasser in der Galley, aber wenn man keine eignen Kaffeebohnen hatte, so konnte man sich keinen Kaffee bereiten.
    Je weiter Kaffee oder Tee von wahrem Kaffee oder Tee entfernt sind, desto mehr hat man das Bedürfnis, ihn mit Zucker und Milch zu verschönern, um die Phantasie anzuregen. Alle drei Wochen erhielt jeder Mann eine kleine Büchse kondensierte und gezuckerte Milch und jede Woche ein halbes Kilo Zucker; denn Kaffee und Tee wurden von der Galley schlicht geliefert, also ohne Milch und Zucker.
    Hatte man die Milch gefaßt, so öffnete man die Büchse und nahm als sparsamer Mensch ein Löffelchen voll heraus, um dem Tee ein Wölkchen zu geben. Dann stellte man seine Büchse sorgfältig fort, um sie erst wieder beim nächsten Kaffee zu gebrauchen. Aber während man sich auf Wache befand, wurde die Büchse nicht gestohlen, aber von andern aufgebraucht bis auf den letzten Rest. Da die sichersten Verstecke am leichtesten gefunden werden, passierte mir das nur beim erstenmal, daß meine Milch verschwand. Als ich das zweitemal Milch faßte, löffelte ich sie auf einem Sitz völlig aus, das einzige Mittel, meine Ration zu retten, ein Mittel, das alle anwandten.
    Mit dem halben Kilo Zucker machte man es genau ebenso, er wurde sofort nach dem Fassen auf einen Ruck aufgegessen. Wir kamen einmal zu einer Einigung. Der Zucker des ganzen Quartiers wurde in eine gemeinsame Büchse geschüttet, und jeder sollte sich einen Löffel herausnehmen, wenn der Kaffee oder Tee kam. Die Folge dieser Einigung war, daß der ganze Zucker am zweiten Tage verschwunden war und mich nur die leere Büchse angähnte.
    Frisches Brot gab es jeden Tag. Und jede Woche bekam das Quartier eine Büchse Margarine, die gut reichen konnte. Aber niemand konnte sie essen, weil Schmierseife besser schmeckte.
    An Tagen, wo wir das Maul zu halten und die Augen zuzumachen hatten, gab es für jeden Mann zwei Glas Rum und eine halbe Tasse Marmelade. Das waren die Tage, an denen geblendet wurde.
    Zum Frühstück gab es Graupen mit Pflaumen oder Reis mit Blutwurst oder Kartoffeln und Hering oder schwarze Bohnen und Salzfisch. Alle vier Tage fing das wieder mit Graupen und Pflaumen an.
    Sonntag gab es zum Mittag Rindfleisch mit Mostrichsoße oder Corned beef mit Wasserbrühe, Montag Salzfleisch, das nie jemand aß, weil es nur Salz und Schwarte war, Dienstag getrockneten Salzfisch, Mittwoch Trockengemüse und Backpflaumen in einer blauwäßrigen Schleimerei aus Kartoffelstärke. Die Schleimerei hieß: der Pudding. Donnerstag begann es wieder mit Salzfleisch, das nie jemand aß.
    Das Abendessen war eines der genannten Frühstücke oder Mittagessen. Zu jeder Mahlzeit gab es Pellkartoffeln, von denen nur die Hälfte gebraucht werden konnte. Der Skipper kaufte nie Kartoffeln. Sie wurden aus der Ladung genommen, wenn wir Südkartoffeln fuhren. Solange sie neu und jung waren, machten diese Kartoffeln einem Spaß und waren Leckerbissen, aber wenn wir lange keine Kartoffeln gefahren hatten, dann kamen die an die Reihe, von denen ich sprach.
    Als Blendladung fuhren wir manchmal nicht nur Kartoffeln, sondern auch Tomaten, Bananen, Ananas, Datteln, Kokosnüsse. Diese Ladungen allein machten es möglich, daß wir bei dem Essen bestehen konnten und nicht an Eßekel verreckten. Wer einen Weltkrieg mitgemacht hat, der hat vielleicht gelernt, was ein Mensch ertragen kann, ohne zu krepieren, wer aber auf einem echten Totenschiff oder auf einer echten Blendlaterne gefahren ist, der weiß es ganz sicher, wieviel ein Mensch aushalten kann.
    Das Ekeln gewöhnt man sich bald ganz ab.
    Das Geschirr, das mir so opferwillig zum Gebrauch angeboten wurde, war nicht ganz komplett, es bestand nur aus einem Teller. Als ich das notwendige Geschirr beisammen hatte, gebrauchte ich die Gabel von Stanislaw, die Tasse von Fernando, das Messer von Ruben, und den Löffel hätte ich von Hermann haben können, aber einen Löffel besaß ich selbst. Für die Opferwilligkeit hatte ich das Geschirr aller hübsch sauber zu putzen, zweimal für jede Mahlzeit. Zuerst, wenn ich es übernahm, und dann, nachdem ich es gebraucht hatte.
    Als das Abendessen vorüber war, hatte ich die Kumpen zu waschen, also die verbeulten Blechwaschbecken, in denen das Essen aus der Galley geholt wurde. Zu diesem Waschen brauchte weder ich noch sonst jemand Seife,

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