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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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Kohlenzieher die Nauken, und der Nauke der Nauken war – richtig geraten: der Kohlenzieher der Rattenwache. Wenn irgend etwas Dreckiges, Unangenehmes, Lebensgefährliches zu tun war, sagte es der Erste Ingenieur dem Zweiten, daß er es tun solle. Der sagte es dem Donkeyman, der dem Putzer und Öler, der dem Heizer und der Heizer sagte: »Das ist keine Heizerarbeit, das ist Kohlenziehers Sache.« Und der Kohlenzieher der Rattenwache tat es, weil er es tun mußte.
    Kam der Kohlenzieher dann heraus mit blutenden und aufgeschlagenen und zerschrammten Knochen und mit zwanzig Brandwunden bedeckt und hatte er an den Beinen hervorgezogen werden müssen, weil er sonst verbrüht worden wäre, dann ging der Heizer zum Öler und sagte: »Ich habe es getan.« Der Öler zum Donkeyman: »Ich.« Der Donkeyman zum Zweiten Ingenieur: »Ich.« Und der Zweite zum Ersten, und der Erste Ingenieur ging zum Alten und sagte: »Ich möchte das im Journal rapportiert haben: ›Der Erste Ingenieur hat, während die Kessel über vollen Feuern lagen, um die Fahrt nicht nachzubüßen, unter Lebensgefahr einen Rohrbruch ersten Grades ausgeheilt. Schiff konnte ungeschwächte Fahrt beibehalten.‹« Die Kompanie liest das Journal, und der Direktor sagt: »Wir müssen dem Ersten Ingenieur der ›Yorikke‹ ein größeres Schiff geben, der Mann ist Besseres wert.« Der Kohlenzieher hat die Narben, die er nie wieder los wird, und ist gekrüppelt. Aber warum mußte es denn der Kohlenzieher tun? Er konnte doch auch sagen wie die andern:
    »Das tu’ ich nicht, da komme ich nicht mehr lebendig heraus.« Aber das konnte er eben nicht sagen. Er mußte, mußte es tun.
    »Ja, Mann, wollen Sie denn das ganze Schiff untergehen lassen und alle Ihre Kameraden dabei ertrinken lassen? Können Sie das vor Ihrem Gewissen verantworten?« Die Deckarbeiter konnten es ja nicht tun, die verstanden ja nichts von Kesseln. Der Kohlenzieher verstand auch nichts von Kesseln, er verstand nur Kohle zu schleppen. Der Ingenieur verstand etwas von den Kesseln, er wurde dafür ja als Erster Ingenieur bezahlt, weil er etwas von Kesseln verstand und bei seinen Prüfungen solche Dinge machen mußte. Aber der Kohlenzieher arbeitete vor den Kesseln und neben den Kesseln und hinter den Kesseln, und er war der Kohlenzieher, und er war der Mann, der die Verantwortung für den Tod so vieler Menschen nicht tragen wollte, auch wenn sein Leben dabei in die Kehrichttonne ging. Das Leben eines dreckigen Kohlenziehers ist kein Leben, niemand zählt es. Es ist weg und Schluß, reden wir nicht mehr davon. Eine Fliege kann man ja schließlich aus der Milch fischen und ihr das kleine Leben schenken, aber ein Kohlenzieher ist nicht einer Fliege gleich. Der Kohlenzieher ist Dreck, Staub, Scheuerlappen; er ist eben gerade gut genug, die Kohle zu ziehen.
    »Kohlenzieher, he!« ruft der Erste Ingenieur. »Wollen Sie einen Rum trinken?«
    »Ja, Chef.«
    Aber das Schnapsglas fällt ihm aus der Hand, der Rum ist weg. Die Hand ist verbrüht, yes, Sir.
    Das Abendessen stand auf dem Tisch. Hungrig war ich inzwischen auch geworden, und ich dachte, daß ich ganz gut etwas essen könnte. Das war meine Absicht. Aber die Absicht haben und die Absicht ausführen, sind zwei Dinge. Ich sah mich nach einem Teller und nach einem Löffel um.
    »Laß den Teller stehen, das ist meiner.«
    »Ja, wo kriege ich denn da einen Teller her?«
    »Wenn du dir keinen mitgebracht hast, dann wirst du wohl ohne Teller hier leben müssen.«
    »Wird denn hier kein Geschirr geliefert?«
    »Nur was du selber hast, das kannst du dir liefern.«
    »Wie soll ich denn da essen, ohne Teller, ohne Gabel und Löffel?«
    »Deine Sache.«
    »Höre, du Neuer«, rief einer aus seiner Bunk heraus, »du kannst meinen Teller, meine Tasse und mein Geschirr haben. Hast es aber immer zu putzen dafür.«
    Da war einer, der hatte nur einen zerbrochenen Teller, aber keine Tasse; ein andrer eine Gabel, aber keinen Löffel. Wenn nun das Essen ins Quartier kam, entstand zuerst immer ein Streit darüber, wer zuerst den Löffel oder die Tasse oder den Teller gebrauchen dürfe; denn wer zuerst in den Besitz des Tellers oder des Löffels gelangte, fischte sich natürlich das Beste heraus. Niemand kann es ihm übelnehmen.
    Das, was Tee genannt wurde, war heißes braunes Wasser. Oft war es nicht heiß, sondern lauwarm. Das, was Kaffee genannt wurde, gab es zum Frühstück und um drei Uhr. Diesen Drei-Uhr-Kaffee habe ich nie gesehen. Grund: Rattenwache. Von zwölf bis

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