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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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Dampfmeter, stand eine Weile, bot dem Heizer und dem Schlepp eine Zigarette an und sagte dann: »Wir haben ludermäßige Kohle, da kann ein Heizer von Gold gemacht sein und er kann keinen Dampf halten.«
    Heizer sind ja keine Idioten und verstehen natürlich sofort, was der Ingenieur will, und tun das Beste, was sie können, um den Dampf hochzukriegen. Denn nicht nur andre Leute, sondern auch Proleten haben Sportgefühl. Aber es soll sich kein Arbeiter über seine Vorgesetzten beschweren, er hat immer die, die er verdient und die er sich macht. Ein gutgezielter und gutsitzender Hieb zur rechten Zeit ist besser als ein langer Streik oder ein langes Herumärgern. Ob man die Arbeiter als »Rohlinge« bezeichnet, kann ihnen gleichgültig sein. Respektieren soll man sie, das ist die Hauptsache. Nur nicht schüchtern sein, Prolet. Was Übles man der »Yorikke« auch immer sonst nachreden konnte, in einem Dinge verdiente sie, mit Lorbeer gekrönt zu werden: Sie war ein vortrefflicher Lehrmeister. Ein halbes Jahr »Yorikke« und man hatte keine Götzen mehr. Hilf dir selbst und verlaß dich nicht soviel auf andre. Gefallene Roste einsetzen, ist selbst auf einem gesunden Eimer kein Vergnügen, wie ich später erfuhr. Es ist immer eine sehr ärgerliche Sache. Doch nicht mehr als das. Auf der »Yorikke« aber war es Blutarbeit.
    Jeder Rostbarren wog etwa vierzig bis fünfzig Kilo. Diese Barren lagen mit ihren Nocken auf einer Querleiste vorn und auf einer Querleiste am Ende des Feuerungskanals. Die Querleisten waren einmal gut und neu gewesen, zu der Zeit, als der große Streik ausbrach beim Bau des Turms von Babel und jene Sprachverwirrung eintrat, die auf der »Yorikke« ihren Höhepunkt erreicht hatte.
    Kein Wunder, daß in der langen Zwischenzeit jene Querleisten ihre stützende Wirkung verloren hatten. Die Leisten waren verschmort. Die Roste lagen mit ihren Nocken nur auf winzigen Narben jener abgeschmorten Querbalken. Beim Aufbrechen der Schlacke brauchte man nur einen Millimeter zu unvorsichtig sein, oder die Schlacke brauchte nur sehr fest sitzen, dann rutschte ein Rostbarren ab und fiel hinunter in den Aschfall. Der Rostbarren war glühend und mußte aus dem Aschfall herausgefischt werden mit einem merkwürdigen Instrument, das Rostzange hieß und etwa zwanzig Kilo wog. Hatte man den Barren gefischt, so mußte er in den Feuerungskanal gehoben und in seine alte Lage gebracht werden. Da die Querbalken abgeschmort waren im Laufe der Jahrtausende, so waren die verschrumpelten und verbrannten Narben, auf denen der Barren ruhen sollte, weniger als einen halben Zoll breit. Hatte man den Barren vorn glücklich drin, rutschte er hinten ab und fiel wieder in den Aschfall zurück, wo er abermals herausgefischt werden mußte, um das Einsetzen ein zweites Mal zu versuchen. Diesmal lag er hinten glücklich in der Narbe, aber er erreichte vorn nicht den Rest des Balkens und fiel nun vorn in den Aschfall. Fiel der Barren an einem Ende in den Aschfall, so gab auch das andre Ende nach, und der ganze Barren fiel ’runter. Dieses Herausfischen und Wiedereinheben mußte so lange versucht werden, bis der Barren durch ein glückliches Zusammentreffen mehrerer glücklicher Umstände an beiden Enden diesen knappen halben Zoll von Auflagefläche gewonnen hatte.
    Handelte es sich nur um einen Barren, so war das schon das Schlimmste, was man sich nur an Arbeit vorstellen kann. Aber durch das Fischen und durch das Einlegen stieß man zuweilen einen Nachbar-Barren an, und der folgte dem Rufe und fiel gehorsam auch nach in den Aschfall, dabei seinen nächsten Nachbar mit sich reißend. Beim Einlegen des letzten Nachbars fiel ein weiterer Nachbar herunter, der an und für sich schon nur noch einen Millimeter auflag und schon eine Stunde sehnsüchtig darauf gewartet hatte, daß ihn doch jemand berühren möge, damit er endlich einen Grund habe, auch in den Aschfall rutschen zu können und den Tanz mitzumachen.
    Während dieser Fischzeit und Einlegezeit brannte das Feuer in dem Kanal natürlich lustig weiter, die Barren waren glühend, die Zange war glühend, das Schüreisen, mit dem die Barren während des Einlegens von unten aus gestützt wurden, war glühend, und die Barren hatten ein Gewicht, daß sie selbst dann eine ansehnliche Last darstellten, wenn sie eiskalt waren und man sie in den Armen vor sich tragen konnte. Ununterbrochen durfte man nicht an den Barren arbeiten, weil die übrigen Feuer bedient werden mußten, damit sie nicht

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