Das Totenschiff
los war, Ein zweites Boot mußten sie schon klarmachen. Die beiden andern Boote waren ja für den Bootsmann und die A. B.s, den Kesselbums und einen Ingenieur. Wenn der Zweite Offizier mit zum Skipper in Boot eins stieg, das fiel niemand auf, aber beide Offiziere durften nicht ’rein. Solange also nicht Boot zwei überholt war, konnte der »Yorikke« nichts geschehen. Geschah ihr trotzdem etwas, dann lag der Fall treu, und alles konnte in Boot eins steigen, und wer nicht Platz hatte, wurde ’rausgepfeffert. Da packen alle Hände zu. Dann ist es auch nicht nötig, Zeugen zu verheiligen, weil alles, was heimkommt, bester Zeuge ist, denn es war eine treue Beerdigung, an der Versicherung kann keine Maus knabbern.
Boot zwei also war für mich das Signal für die Beerdigung. Es war noch knistertrocken, also hatte auch die »Yorikke« noch andre, treue Werte an Bord und nicht nur reine Totenwerte. Wenn es auch Blender waren, so wollte ich doch wissen, was die Blender im Magen hatten. Wissenschaft macht sich manchmal bezahlt.
Da war ich drin im Laderaum und betrachtete mir die Kisten.
»Garantiert echtes schwäbisches Pflaumenmus
Garantiert reine Früchte und Zucker
Kein Farbenzusatz
Erste schwäbische Pflaumenmusfabrik A.-G.
Oberndorf a. N.«
Wir sind schöne Esel. Da fressen wir die Schmierseife rein, die Margarine heißt, und hier liegt das schönste schwäbische Pflaumenmus stapelweise aufgeschichtet. »O Stanislaw, ich habe dich für einen so intelligenten Burschen gehalten, aber du bist das größte Rindvieh auf Erden.«
Das war mein erster Gedanke. Stanislaw hatte immer so einen großen Mund, er tat immer so klug, er wußte immer alles, wußte immer, wohin die »Yorikke« ging und wohin sie nicht ging. Aber das Pflaumenmus hatte er doch nicht entdeckt.
Kisten aufmachen ist Spielerei, wenn man Übung hat. Feine große Büchsen. Das gibt ein Fressen morgen, dick draufgeschmiert auf das warme Brot. Mir lief das Wasser im Munde zusammen. Garantiert reine Früchte und Zucker. Kein Ersatz aus deutscher Rübenzeit. Reine Früchte und Zucker. Die Marokkaner wissen schon, was gut ist. Das ist besser als Datteln und Rosinen, schwäbisches Pflaumenmus aus der ersten Pflaumenmusfabrik: Mit dem Meißel, den ich zum Aufmachen der Kiste gebraucht hatte, öffnete ich jetzt gleich eine Büchse. Ich war mit zwei Büchsen zum Bunker gekrochen, wo ich ja meine Lampe unbekümmert brennen durfte. Es konnte mir schon keiner ’raufkommen, weil ich das Brett, das über zwei Streben lag und das zur Bunkerluke führte, weggezogen hatte. Von den Ingenieuren wäre sowieso keiner über das Brett gegangen; denn das erforderte Mut. Besonders stark war das Brett nicht, und es war auch nicht mehr neu. Es war nicht ausgemacht, ob es heute oder morgen brach. Und wenn es brach oder wenn man beim Drübergehen infolge eines unerwarteten Stampfers der »Yorikke« das Gleichgewicht verlor, so sauste man zwanzig Fuß tief ’runter in den Kesselraum und schlug sich auf dem Wege dahin einen Schädelbruch, wenn man Glück hatte. Wenn man Pech hatte, so war es schon ganz egal, ob man einen oder zehn Schädelbrüche hatte. Aber besser ist besser, dachte ich, und darum hatte ich das Brett weggezogen. Die Büchse war auf. Es war keine Blendung, verflucht noch mal. Es war tatsächlich garantiert reines Pflaumenmus. Offenbar hatte ich Goldstaub erwartet, weil ich so erstaunt war. Das hätte ich von der »Yorikke« nicht gedacht. Sie fährt treues, echtes Gut. Und ich habe das arme Weib unter Verdacht gehalten, daß sie Deklarierungen kleistert und Blender fährt. Man soll doch nie voreilig urteilen, wenn man es mit Weibern zu tun hat. Man soll nicht voreilig urteilen, wenn man es mit –.
Schmeckt das Zeug? Schmeckt ganz gut. Schmeckt – nana – warte mal – schmeckt etwas ranzig. Nein, schmeckt nach – nach – nach was denn zum Donnerwetter noch mal? Die haben Coppers ’reingetan, die Säue. Die haben Kupfermünzen ’reingetan, damit die Pflaumen Farbe behalten sollen. Garantiert kein Farbzusatz. Ist keine Farbe, aber schmeckt danach. Wollen doch noch mal kosten. Ja, Teufel, schmeckt nach Grünspan, direkt nach Messing. Kann ich nicht essen auf Brot. Ich werde den Geschmack nicht los. Frißt sich auf der Zunge ein und klietscht gegen den Gaumen.
Vielleicht nur oben so schlimm. Gehen wir mal tiefer mit dem Finger in die Marmelade! Was ist denn das? Da sind ja noch die ganzen Pflaumenkerne drin geblieben. Das ist ja eine Marmelade.
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