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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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»Yorikke« fuhren, machte eine gemeinsame Sprache notwendig. Da jeder, wenn er nur ein paar Wochen fährt, einige englische Brocken weiß und gleich mitbringt, so ergibt sich ganz von selbst das Englisch als Kommando- und Umgangssprache.
    Da ist das Wort First-Mate, Erster Offizier, das die meisten wissen, und da ist das Wort Money, das jeder weiß.
    Nun aber kommt die lebendige Entwicklung, eine Sprachentwicklung, wie sie sich nicht nur auf der »Yorikke« zeigte, sondern wie sie sich in ganzen Völkern zeigt und von jeher gezeigt hat.
    Mate wird in London-West ganz anders ausgesprochen als in London-Ost, und der Amerikaner spricht achtzig Prozent der Worte anders aus als der Engländer, und sehr viele schreibt er auch ganz anders und verwendet sie in ganz andern Ideenverbindungen.
    Der Zimmermann hat das Wort First-Mate nie in England gehört, sondern von einem Schweden, der das Wort von einem Seemann aus London-Ost gehört hatte. Der Schwede konnte es schon selbst nicht richtig aussprechen, außerdem hatte er es noch in dem üblen Petty-coat-lane oder Cockney-Dialekt gehört, den er für die richtige und allein gültige Aussprache halten mußte, weil er ja das Wort von einem Engländer vernommen hatte. Wie das Wort nun von dem Zimmermann ausgesprochen wurde, kann man sich vielleicht vorstellen. Ein Spanier bringt die Aussprache des Wortes Money, ein Däne bringt Coal, ein Holländer Bread, ein Pole Meal, ein Franzose Thunder und ein Deutscher Water.
    Das Wort First-Mate läuft durch alle Stadien der Laute, die ein Mensch geben kann: Feist-Moat, Fürst-Meit, Forst-Miet, Fisst-Määt und noch so viel mehr, als Leute auf der »Yorikke« sind.
    Nach einer kurzen Zeit aber schleifen sich die verschiedenartigen Aussprache-Färbungen gegeneinander ab, und es kommt zu einer einheitlichen Aussprache, in der sich alle die Tonfarben wiederfinden in abgeschwächter Form. Wer neu hinzukommt, selbst wenn er genau weiß, wie das Wort richtig ausgesprochen wird, ja selbst wenn er Professor der Phonetik in Oxford wäre, muß das Wort Yorikkisch aussprechen, wenn er zu jemand den Befehl bringen soll, daß der First-Mate ihn zu sehen wünsche, weil der Mann sonst gar nicht wüßte, was man von ihm wolle. Der Professor merkt nach kurzer Zeit gar nicht mehr, daß er die Worte Yorikkisch ausspricht, weil er sie nur in dieser Form hört und sie sich in dieser Form in sein Gedächtnis einprägen. Von den Vokalen bleibt nicht viel an richtiger Aussprache übrig, aber von den Konsonanten bleibt genug übrig, um das Wort nach einigem Hinhören doch zu verstehen. Dadurch bleibt die Sprache immer Englisch in ihrem Skelett und kann auf jedes andre Schiff übertragen werden. Gäbe es keine Buchdruckerkunst, so würde es so viele ganz selbständige Sprachen geben, wie es Dialekte gibt. Hätten die Amerikaner nicht die gleiche Schriftsprache wie die Engländer, würde heute die Sprache der beiden Völker ebenso verschieden sein wie die Sprache der Holländer und der Deutschen.
    Der Seemann ist, soweit die Sprache in Frage kommt, nie verlegen. An welche Küste er auch geworfen werden mag, er kann sich zurechtfinden und kann sich verständlich machen. Und wer eine »Yorikke« überwinden und überleben kann, den kann nichts mehr in Schrecken versetzen, für ihn ist nichts unmöglich.
     

36.
     
    Stanislaw wurde nur von mir und den Heizern Stanislaw oder Lawski gerufen. Alle übrigen, auch die Offiziere und Ingenieure riefen ihn Pole, manche Pollack. Die Mehrzahl der Leute wurden nach ihrer Nationalität gerufen:
    He, Spanier oder Russ oder Holländer. Und das war ein ironischer Witz des Schicksals. Ihre Nation verleugnete sie und stieß sie von sich, auf der »Yorikke« war ihre Nation ihre ganze Persönlichkeit. Jeder, der auf einem Schiff angezeichnet werden soll, wird zum Konsul gebracht, zum Konsul jenes Staates, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Der Konsul hat die Anmusterung zu bestätigen und zu registrieren. Er prüft die Papiere des Seemanns, und wenn ihm die Papiere nicht gefallen, verweigert er die Registrierung, und der Mann kann nicht mustern. Die Anmusterung vor dem Konsul muß im Hafen erfolgen, ehe der Mann seine Arbeit beginnt.
    »Yorikke« hätte auf diese Art nie einen Mann bekommen, vielleicht nicht einmal Ingenieure und Offiziere; denn wer mit seinen Papieren in Ordnung war, ging der »Yorikke« in weitem Bogen aus dem Wege. Die »Yorikke« verdarb die besten Papiere eines Mannes, und ein Mann, der von der »Yorikke«

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