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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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erzählte weiter, daß er ein Waisenkind sei und von den Leuten, bei denen er in Pflege sei, so schlecht behandelt und so verprügelt werde, daß er ins Meer gesprungen sei, um sich zu töten. Da er aber schwimmen könne, so habe er zu schwimmen angefangen und sich auf dem Kutter versteckt. Er schloß seine Erzählung unter Tränen mit den Worten: »Wenn ich zurück nach Deutschland muß, binde ich mir Hände und Füße zusammen und springe sofort ins Meer. Zu den Pflegeeltern gehe ich nicht zurück.«
    Die Fischersfrauen weinten alle herzzerbrechend über das traurige Schicksal des kleinen deutschen Jungen und nahmen ihn auf. Zeitungen lasen sie nicht, und in die dänischen Zeitungen kam es wohl auch nicht, daß ganz Deutschland nach dem Jungen abgesucht wurde und die gräßlichsten Geschichten in Umlauf waren, was wohl alles mit dem Jungen geschehen sein könne.
    Bei den Fischersleuten auf Fünen mußte er schwer arbeiten, aber es gefiel ihm hundertmal besser als in den Straßen von Posen; und wenn er daran dachte, daß man ihn zu einem Schneider hatte in die Lehre geben wollen, so verging ihm alle Lust, seinen Eltern auch nur das kleinste Zeichen zu schicken, daß er am Leben sei. Die Furcht, Schneider werden zu müssen, war größer als die Liebe zu Vater und Mutter, die er ganz niedlich hassen konnte für ihre Absicht, ihn zu einem tüchtigen Schneider ausbilden zu lassen.
    Mit siebzehn Jahren verließ er die Fischersleute mit deren Segenswünschen, um nach Hamburg zu gehen und für große Fahrt zu mustern. In Hamburg war kein Schiff zu haben, und er nahm für einige Monate Arbeit bei einem Segelmacher. Er meldete sich vorschriftsmäßig unter seinem richtigen Namen an, bekam seine Invalidenkarte und ließ sich endlich ein gutes deutsches Seemannsbuch ausstellen.
    Dann fuhr er los auf große Fahrt auf ehrlichen deutschen Schiffen. Dann wechselte er und fuhr auf einem Holländer. Und dann kam der blutige Tanz ums goldene Kälbchen. Als das losging, war er mit seinem Holländer im Schwarzen Meer. Auf der Heimfahrt passierte das Schiff den Bosporus, wurde von den Türken untersucht, und er mit noch einem Deutschen wurde herausgeholt und in die türkische Kriegsmarine gesteckt, unter anderm Namen, weil er seinen richtigen nicht angab.
    Dann kamen zwei deutsche Kriegsschiffe nach Konstantinopel, die in einem italienischen Hafen gelegen hatten und dort den Engländern, die ihnen auflauerten, entwischt waren. Stanislaw kam nun auf eines dieser Schiffe und diente weiter unter türkischer Flagge, bis er eine passende Gelegenheit fand, den Türken den Abschied zu geben.
    Er fand Heuer auf einem Dänen. Der Däne wurde von einem deutschen Unterseeboot durchsucht, und ein Schwede, der auf dem Schiff fuhr und dem er erzählt hatte, daß er nicht Däne, sondern Deutscher sei, verriet ihn an die Offiziere des Unterseebootes. Stanislaw kam nach Kiel und wurde unter falschem Namen in die deutsche Kriegsmarine gesteckt. Artilleriedienst.
    In Kiel traf ihn ein andrer Kuli, mit dem er früher auf einem deutschen Handelsschiff gefahren war. Durch den kam der richtige Name heraus, und Stanislaw wurde nun mit seinem richtigen Namen in der deutschen Kriegsmarine geführt.
    Stanislaw war dabei, als in der Nähe von Skagen zwei sich bekämpfende Nationen, die Engländer und die Deutschen, zu gleicher Zeit Sieger wurden und die Engländer mehr Schiffe verloren als die Deutschen und die Deutschen mehr als die Engländer.
    Stanislaw wurde von dänischen Fischerbooten aufgepickt und ins Dorf gebracht. Da er mit dänischen Fischersleuten umzugehen verstand und hier ein Bruder jener Frau war, die ihn in Fünen aufgenommen hatte, so lieferten ihn die Fischer nicht ab an die dänische Regierung, sondern versteckten ihn und brachten ihn endlich als Dänen auf einem guten Schiff in Esbjerg unter, mit dem Stanislaw wieder auf große Fahrt kam. Diesmal hütete er sich, zu verraten, daß er Deutscher sei, und so konnte er allen Unterseebooten, englischen und deutschen, ins Gesicht lachen.
    Die Regierungen vertrugen sich, die großen Räuber setzten sich alle zu einem fetten Versöhnungsbankett nieder, und die Arbeiter und kleinen Leute in allen Ländern hatten die Unfallkosten, die Hospitalrechnungen, die Beerdigungskosten und das Versöhnungsbankett zu bezahlen. Dafür durften sie den einziehenden Heeren, die »im Felde gesiegt« hatten, mit kleinen Fähnchen und Taschentüchern zuwedeln und den übrigen Heeren, die »im Felde nicht besiegt« waren,

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