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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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abzeichnete, hatte ein oder zwei Jahre dreiviertel und halbe Yorikken erst zu fahren, ehe er sich wieder beim Skipper eines ehrlichen Schiffes sehen lassen konnte, falls er überhaupt je auf eine dreiviertel Yorikke kommen konnte. Denn selbst da war der Skipper mißtrauisch. »Auf der ›Yorikke‹ haben Sie gefahren? Wo werden Sie denn verlangt? Was haben Sie denn ausgefressen?« Das sagt der Skipper.
    Und der Mann sagt: »Ich konnte kein andres Schiff kriegen und nahm deshalb die ›Yorikke‹ für eine Reise.«
    »Ich will keine Scherereien haben mit der Polizei oder mit den Konsuln. Ich möchte nicht gern, daß es heißt, auf meinem Schiff haben sie unter der Mannschaft einen Raubmörder verhaftet, der in Buenos Aires verlangt wird«, sagt der Skipper.
    »Aber, Skipper, wie können Sie denn das sagen? Ich bin ein ganz ehrlicher Mann.«
    »Ja, ja. Aber von der ›Yorikke‹. Ich kann doch nicht von Ihnen fordern, daß Sie mir von allen Ländern der Erde ein polizeiliches Leumundszeugnis beibringen, nicht älter als vier Wochen. Da haben Sie zwei Schillinge, für ein gutes Abendessen, aber Anmusterung? Ich möchte doch lieber nicht das Risiko übernehmen. Vielleicht kriegen Sie ein andres Schiff, liegen ja eine Masse hier. Gehen Sie mal zu dem Italiener da drüben. Kann sein, er nimmt es nicht so hart.«
    Der Skipper der »Yorikke« konnte mit keinem seiner Leute zum Konsul gehen, wahrscheinlich nicht einmal mit seinem Ersten Offizier, und ich würde mich nicht wundern, wenn er sich selbst nicht beim Konsul sehen lassen dürfte, ohne daß der Konsul sofort den Hörer abnimmt und zum Skipper sagt: »Setzen Sie sich bitte, Herr Kapitän, nur einen Augenblick, dann stehe ich zu Ihren Diensten.«
    Diese Dienste würde der Skipper vielleicht nicht abwarten, sondern etwas andres tun; ’rin ins Auto, ’rauf auf die »Yorikke«, Anker gehievt und abgesurrt mit hundertfünfundneunzig und zugeschraubten Tränendrüsen.
    Die »Yorikke« bekam alle Leute unter dem Schiffsnotgesetz. Sie kamen ’rauf, wenn der Blaue Peter eingezogen wurde und der Lotse schon an Bord war. Kein Konsul der Erde wird dann verlangen, daß der Skipper nun wieder anhalten und mit einem Mann zum Konsul gehen soll. Das verlangt noch viel weniger irgendeine Hafenbehörde. Früher konnte man den Mann nicht anmustern, weil keiner da war und weil man nicht wußte, daß von der Mannschaft sich einer besaufen und achtern abkanten würde. Das merkte man erst, als das Lotsensignal gepfiffen wurde und der Mann nicht an Bord war.
    Selten verriet jemand auf der »Yorikke« einem andern seinen wahren Namen und seine wahre Nationalität. Ebenso selten erfuhr man, unter welchem Namen und unter welcher Nationalität jemand angemustert hatte. Kam jemand neu, so fragte ihn der Offizier oder der Ingenieur oder ein Mann, eben irgendeiner, der mit ihm zuerst zu tun hatte: »Wie heißen Sie?« Darauf sagte der Gefragte: »Ich bin Däne.« Damit hatte er zwei Fragen beantwortet und nun hieß er Der Däne oder nur Däne. Mehr zu fragen, hielt man für überflüssig. Man wußte meist oder glaubte meist, daß Däne schon gelogen war, und sich mehr anlügen zu lassen, darauf ging man nicht aus. Willst du nicht belogen werden, dann darfst du auch nicht fragen.
    Um uns an einem faulen Abend, während wir auf der Reede lagen, die Zeit zu vertreiben, erzählte mir Stanislaw seine Geschichte und ich ihm meine. Ich erzählte ihm nicht meine wahre Geschichte, sondern eben eine Geschichte. Ob er mir eine wahre Geschichte erzählte, weiß ich nicht. Wie kann ich das wissen? Ich weiß ja nicht einmal, ob das Gras grün ist, es kann ja nur in meinen Augen eine grüne Täuschung verursachen.
    Aber gute Gründe machen mich glauben, daß die Geschichte, die mir Stanislaw erzählte, der vollen Wahrheit entsprach, weil sie den Geschichten aller Reisenden auf Totenschiffen so ähnlich war.
    Seine Name, den ich, wie die ganze Geschichte, auf dem Eimer nicht verraten durfte, war Stanislaw Koslowski. Er war geboren in Posen und dort bis zu seinem vierzehnten Jahre in die Schule gegangen. Indianer- und Seegeschichten verlockten ihn, er rannte von Hause fort, kam nach Stettin, verbarg sich dort auf einem dänischen Fischkutter und fuhr mit ihm nach Fünen. Dort fanden ihn die Fischersleute in ihrem Kutter halb erfroren und halb verhungert. Er sagte, er sei aus Danzig, borgte sich von seinem Buchbinder, wo er die Seegeschichten zu kaufen pflegte, den Namen aus und gab ihn als seinen Namen an. Er

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