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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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einen Kasten.«
    Auf dem Polizeipräsidium fragte man ihn: »Sie sind in Posen geboren?«
    »Ja.«
    »Geburtsschein?«
    »Hier ist die Quittung vom Einschreibebrief. Schicken keinen.«
    »Die Bescheinigung von dem Inspektor in Ihrem Revier genügt mir. Es ist nur die Staatsangehörigkeit. Haben Sie für Deutschland optiert?«
    »Ob ich was habe?«
    »Ob Sie für Deutschland optiert haben? Ob Sie, als die polnischen Provinzen abgegeben werden mußten, vor einer deutschen zuständigen Behörde die Erklärung persönlich zu Protokoll gegeben haben, daß Sie deutscher Staatsangehöriger bleiben wollen?«
    »Nein«, sagte Stanislaw. »Das habe ich nicht getan. Davon habe ich gar nichts gewußt, daß man das tun müsse. Ich habe geglaubt, wenn ich Deutscher einmal bin und nichts andres werde, daß ich dann auch Deutscher bleibe. Ich war doch in der K.M. und habe Skagerrak mitgekämpft.«
    »Damals waren Sie Deutscher. Damals gehörte die Provinz Posen noch zu Deutschland. Wo waren Sie denn, als die Optionen gemacht werden mußten?«
    »Auf großer Fahrt. Draußen.«
    »Da hätten Sie zu einem deutschen Konsul gehen müssen und dort Ihre Option zu Protokoll geben müssen.«
    »Aber ich habe doch gar nichts davon gewußt«, sagte Stanislaw.
    »Wenn man draußen fährt und hat seine verfluchte schwere Arbeit, dann hat man keine Zeit, an solche dummen Sachen zu denken.«
    »Hat Ihnen denn Ihr Kapitän nichts gesagt?«
    »Ich fuhr einen Dänen.«
    Der Beamte dachte eine Weile nach und sagte dann: »Da ist nichts mehr zu wollen. Sind Sie vermögend? Haben Sie Landbesitz oder Hausbesitz?«
    »Nein, ich bin Seemann.«
    »Ja, wie gesagt, da ist nichts mehr zu wollen. Alle Fristen, sogar die Versäumungsfristen sind abgelaufen. Und Sie können sich nicht einmal berufen darauf, daß Sie irgendwo durch höhere Gewalt gehindert worden seien, zu optieren. Sie waren nicht schiffbrüchig in irgendeinem Lande, das außerhalb des üblichen Verkehrs liegt. Sie konnten zu jeder Zeit einen deutschen Konsul oder den Konsul einer andern Macht, der uns vertrat, aufsuchen. Die Aufforderung zur Option ist in der ganzen Welt bekanntgemacht worden, und das ist wiederholt geschehen.«
    »Wir kommen nicht dazu, Zeitungen zu lesen. Deutsche sieht man nicht, und andre versteht man nicht. Und wenn man eine Zeitung wirklich mal kriegt, da steht es dann nicht drin, weil das nicht in jede Nummer eingesetzt wird.«
    »Ich kann nichts machen, Koslowski. Es tut mir leid. Ich möchte Ihnen ja gerne helfen. Aber ich habe nicht die Vollmachten. Sie können sich noch an das Ministerium wenden. Aber das dauert lange, und ob Sie Erfolg haben, ist noch sehr fraglich. Die Polen kommen uns in keiner Weise entgegen. Warum sollen wir dann ihre Stuben rein fegen. Vielleicht kommt es noch so weit, daß sie in Polen alle, die für Deutschland optiert haben, ausweisen, und dann tun wir das natürlich auch.«
    Überall erzählte man dem armen Stanislaw politische Ansichten, anstatt ihm ernsthaft zu helfen. Wenn ein Beamter jemand nicht helfen will, so sagt er, er möchte ja so gerne helfen, aber er habe keine Macht und keine Vollmachten.
    Wenn man aber laut mit einem Beamten spricht oder ihn nachdenklich ansieht, dann kommt man ins Gefängnis wegen Beleidigung eines Staatsbeamten und wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Dann ist er plötzlich der Staat selbst, ausgerüstet mit allen Vollmachten und allen Gewalten, sein Bruder spricht das Urteil, und sein andrer Bruder schließt einen in die Zelle oder schlägt einem den Knüppel über den Schädel. Was ist der Wert des Staates, wenn er dir nicht helfen kann in deinen Nöten?
    »Ich kann Ihnen nur den einen Rat geben, Koslowski«, sagte der Beamte, während er mit dem Stuhle rückte, »gehen Sie zum polnischen Konsul. Sie sind Pole. Der polnische Konsul muß ihnen einen polnischen Paß ausstellen. Dazu ist er verpflichtet. Sie sind in Posen geboren. Wenn Sie den polnischen Paß haben, dann können wir eine Ausnahme hier machen und Ihnen, weil Sie hier ortsansässig sind und auch schon früher hier gewohnt haben, ein deutsches Seemannsbuch ausstellen. Das ist alles, was ich Ihnen raten kann.«
    Stanislaw ging am nächsten Tage zum polnischen Konsul. »Sie sind in Posen geboren?«
    »Ja. Meine Eltern wohnen noch da.«
    »Haben Sie in Posen oder in einer der Provinzen, die von Deutschland, Rußland oder Österreich abgetreten werden mußten, zur Zeit der Abtretung gewohnt?«
    »Nein.«
    »Auch nicht zwischen

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