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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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an, aber plötzlich denke ich an das Leben, das in mir wächst, dieses unschuldige Kind, das in der Dunkelheit liegt. Und daran, wie unendlich grausam und unvorhersagbar die Welt sein kann.
    »Da ist etwas …«, fange ich an, »etwas, das ich dir noch nicht gesagt habe. Über mich.«
    »Ich weiß«, sagt er nur und lächelt auf seine vielsagende Weise. »Da sollte ich vielleicht gratulieren?«
    »Wie …?«
    Er grinst breit.
    »Aber bitte sehr, meine Liebe. Du trinkst doch keinen Tropfen mehr, während du sonst säufst wie ein Loch. Und Markus klebt die ganze Zeit an dir.« Er unterbricht sich. »Weißt du, ich bin verdammt eifersüchtig.«
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    Plötzlich sieht er verlegen aus, schaut seinen chaotischen Schreibtisch an, scheint das edle Kunstbuch unter seinen schmutzigen Turnschuhen zu entdecken. Hebt es vorsichtig hoch, wischt es ab und erwidert meinen Blick.
    »Olle will keine Kinder. Ich wohl, aber er ist so verdammt anal. Liebt Ordnung und Struktur, will keine Kinder, die das Leben auf den Kopf stellen. Sagt er jedenfalls.«
    Vijay sieht plötzlich wieder traurig aus, ein Gefühl, das ich an ihm nicht gewohnt bin. Mir wird klar, dass er mich viel näher an sich heranlässt als sonst. Vorsichtig frage ich:
    »Sagt er? Aber … du glaubst, dass es etwas anderes ist, oder?«
    Vijay zuckt resigniert mit den Schultern, steckt sich noch eine Zigarette an, und aus dem Augenwinkel kann ich sehen, dass seine Hand ein wenig zittert.
    »Ich glaube nicht …«
    »Was?«
    Er zögert. Holt tief Atem.
    »Ich glaube nicht, dass er mich noch liebt.«
    Sein Blick erwidert meinen, und seine Augen sind schwarz und leer vor Kummer. Langsam nickt er mir zu.
    »Jetzt weißt du es«, flüstert er.

Es ist zwar erst zwei Uhr, aber es ist schon fast dunkel. Im Rinnstein strömt blaugraues Wasser dahin, vermischt mit einsamen Herbstblättern und Abfall. Der Strom fließt an meinen Füßen vorbei und verschwindet mit einem gurgelnden Geräusch in einem Gully.
    Gleich hinter McDonald’s sehe ich das Schild »Jobcenter«. Hier arbeitet sie also.
    Kattis hat mich zum Kaffee eingeladen, und obwohl ich weiß, dass unser Kontakt zu eng ist, dass ich sie zu sehr mag und längst schon die professionelle Distanz zwischen Therapeutin und Klientin aufgegeben habe, stehe ich hier also vor ihrem Büro, um Kaffee zu trinken und Zimtschnecken zu essen, als ob das die Sache besser machen könnte. Ich ertappe mich bei der Überlegung, was Aina denken würde, wenn sie uns sähe, und plötzlich schäme ich mich, denn ich weiß, wie sie mein Verhalten beurteilen würde. Und sie hätte damit auch noch recht.
    Sie lächelt strahlend, als sie die Tür öffnet, und umarmt mich warm und lange.
    »Kommen Sie rein, Himmel, Ihre Finger sind ja wie Eiszapfen.«
    Sie streicht mir einige Regentropfen von der Stirn und lacht wieder. Diesmal ein wenig verlegen. Ich lege Tasche und Mantel ab und folge ihr in die hellen Räumlichkeiten. Die Wände sind hoch, mindestens fünf Meter, und die riesigen Fenster mit den vielen Sprossen ziehen sich an der Fassade zur St. Eriksgata hin. In dieser offenen Bürolandschaft sitzt ein Dutzend Männer und Frauen in meinem Alter an Schreibtischen, die aufs Geratewohl im Raum platziert worden zu sein scheinen. Einige winken vorsichtig, und ich winke zurück.
    »Ihr habt es hier aber schön.«
    »Ja, nicht? Das ist eine alte Fahrradfabrik von der Jahrhundertwende. Heute arbeiten wir hier mit fünfzehn, aber nicht alle sind gerade im Büro. Einige sind zu Arbeitsplatzbesuchen und so.«
    Sie geht durch den Saal zu einer Teeküche ganz hinten am rechten Ende.
    »Ich habe Zimtschnecken gekauft, ich wusste nicht, was Sie mögen. Ich hoffe, das geht in Ordnung.«
    Sie sieht plötzlich nervös aus, als wäre es ihr ungeheuer wichtig, dass noch die kleinste Einzelheit stimmt. Ich nicke und setze mich auf einen Stuhl.
    »Zimtschnecken sind super.«
    So sitzen wir eine Weile da, auf den weißen Stühlen an dem weißen Tisch in dem ungeheuer weißen Raum. Plaudern, essen die frisch gekauften Zimtschnecken, kichern ein wenig über eine Anekdote über Kattis’ ehemaligen Chef.
    »Schauen Sie«, sagt sie plötzlich und legt ihre Hand ganz leicht auf meine. »Ich habe etwas für Sie.« Sie steht auf, geht zur Teeküche und streckt die Hand nach etwas aus. »Hier, das ist für Sie.«
    Ich sehe sie an, lächele verlegen.
    »Kattis, das wäre nicht nötig gewesen.«
    »Aufmachen!«
    Sie klingt aufgeregt.
    Ich sehe das schön

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